Die Wien Energie hat nicht unverantwortlich spekuliert. Das ist das Ergebnis einer vorläufigen Schnellprüfung eines Expertenteams vom Freitag. In dieses Bild passt auch, dass aufgrund der enorm gestiegenen Strom- und Gaspreise immer mehr Versorger in der EU in die exakt gleiche Lage geraten wie die Wiener: Sie können die hohen Sicherheiten bei Termingeschäften an den Börsen nicht mehr aufbringen und brauchen deshalb Notfall-Liquiditätshilfen. An eben solchen arbeitet gerade die EU, damit sich die Energiekrise nicht noch zu einer Finanzkrise auswächst. Der Fall Wien Energie dürfte also – darauf deutet zumindest vieles hin; tiefergehende Prüfungen laufen noch – kein Fall von Spekulation sein, wie am Anfang weithin angenommen worden ist.

Die Wien Energie hat nicht unverantwortlich spekuliert.
Foto: REUTERS/LEONHARD FOEGER

Wohl aber gibt es eine zweite Ebene, die durchaus skandalös ist: die politische. Dass Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) an allen Kontrollinstanzen und der Öffentlichkeit vorbei Geheimkredite in Milliardenhöhe vergibt, für die letztlich die Steuerzahler geradestehen müssen; dass der Fall danach so lange unter den Tisch gekehrt wird, bis es nicht mehr anders geht und die Bundesregierung eingeweiht werden muss – all das offenbart, dass im Wiener Rathaus ein höchst fragwürdiges Verständnis von Politik, Öffentlichkeit und der Notwendigkeit von Transparenz herrscht. Das muss aufgearbeitet werden, unabhängig von allen Spekulationsvorwürfen. (Joseph Gepp, 11.9.2022)