Es ist erstaunlich, wie zuverlässig die richtig köstlichen Dinge dieser Welt roh und/oder oder gegrillt am allerbesten sind. Steinpilze (auch Herrenpilze genannt) sind dafür ein wunderbares Beispiel. (1) Roh in hauchdünne Scheiben geschnitten und zurückhaltend mariniert, ist er ein subtiler Genuss: Er hat dann ein wunderbares, feines Pilzaroma mit samtig-knackiger Konsistenz und im Idealfall einem zarten Gaumenkitzel, der an Trüffel und reifen Käse erinnert (ich schätze, es ist das Glutamat).

Gegrillt aber wird er zu einer geschmacklichen Urgewalt: Seine nussige Seite bricht dank Flammen und Rauch ungestüm hervor und verbindet sich, wenn der Pilz gut ist, mit einer ziemlich einmaligen, knackig-saftig-kernweichen Konsistenz. Das kann berauschend gut sein – in einer ähnlich tollen Geschmacksliga spielen sonst nur noch gegrillte Garnelen(köpfe), gegrillte Tauben oder ein wirklich gutes gegrilltes Steak.

Foto: Tobias Müller

Alles dazwischen, von gebraten über gebacken bis getrocknet und dann gekocht, ist eh auch fein, aber letztlich doch ein Kompromiss und minderer Pilzqualität oder widrigen Zubereitungsbedingungen (kein Grill, kein Grillwetter, keine Grilllust) geschuldet.

Ich hatte vergangene Woche das erste Mal heuer das Glück, mich an gegrillten Steinpilzen satt zu essen – und dazu und daneben auch noch eine Pilzrarität zu probieren. Antonio, der Pilz-, Kräuter- und Wildgemüsesammler unseres süditalienischen Dorfes, hat mir nach dem ersten anständigen Regen der Saison ungefragt einen Korb prächtiger Steinpilze und Ovuli vorbeigebracht. Er mag mich, seit ich ihm im Frühjahr einen unverschämt großen Bund Wildspargel abgekauft habe, zu einem Preis, der uns offenbar beiden Freude gemacht hat.

Ich gestehe, dass die Ovuli mich zunächst noch mehr erregt haben als die Steinpilze. Sie sind, vor allem nördlich der Alpen, eine fast mythische Pilzkreatur – nördlich der Alpen ziemlich selten, und entsprechend ziemlich teuer, ein bisschen so etwas wie der Matsutake Mitteleuropas (2). Ihren deutschen Namen Kaiserlinge verdanken sie dem Gerücht, dass sie die bevorzugten Pilze der römischen Cäsaren waren. Weil sie so rar und delikat sind, werden sie meistens roh genossen.

Foto: Tobias Müller

Ich hatte bisher nur einmal das Vergnügen mit ihnen, und es war ein eher zweifelhaftes. Ich habe in Neapel Ovuli für stolze 120 Euro das Kilo entdeckt und konnte ob ihres Rufs nicht widerstehen. Sie waren alt, schon etwas trocken und schmeckten nach enttäuschend wenig.

Diesmal wollte ich auf Nummer sicher gehen und habe noch am selben Abend einige Ovuli und Steinpilze Joar mitgebracht, dem großartigen schwedisch-amerikanisch-italienischen Koch der Malabar bei uns im Dorf. Er hat beide auf seinem Robota-Grill zubereitet, zärtlich mit Olivenöl und ein wenig Knoblauch lackiert. Die Steinpilze waren um Welten besser. Joar fand seine Vermutung bestätigt, dass teure Pilze stets überbewertet sind (3), ich glaube, dass es einfach sehr schwer ist, besser als gegrillte Steinpilze zu schmecken.

Foto: Tobias Müller

Am nächsten Tag habe ich mich ans Pilzfest-Kochen gemacht. Die Steinpilze haben wir nach Joars Anleitung gegrillt, die Ovuli roh gegessen. Mit etwas feingehackten Nüssen, Ricotta salata, Petersil, einem Hauch Zitronenschale, -saft und Olivenöl haben sie einen feinen spätsommerlichen Salat abgegeben.

Foto: Tobias Müller

Was mich überrascht hat: Die Vongole, die es ebenfalls und eigentlich als Vorspeise fürs Kind dazu gab, haben wunderbar mit ihnen harmoniert. Ich würde sie (die Ovuli) künftig trotzdem jederzeit gegen Steinpilze tauschen.

Das neben den Ovuli auf dem Tischfoto (s. u.) ist übrigens ein Feigen-Scamorza-Ruccola-Salat. Sollten Sie die Gelegenheit haben, probieren Sie die Mischung aus, sie ist fantastisch.

Gegrillte Steinpilze und Ovuli-Salat

Die besten Steinpilze sind meiner Meinung nach die kleinen bis mittelgroßen, die sich fest und trocken angreifen und schwer in der Hand liegen. Die Hutunterseite sollte je nach Art grau-weiß oder etwas bräunlich und ebenfalls trocken und fest sein. Wenn sie gelb-grün, weich und feucht wird, ist es besser, sie vor dem Zubereiten zu entfernen – sie lässt sich einfach abziehen und kann getrocknet und dann für Suppen verwendet oder in Butter zu köstlichen Pilzgrammeln gebraten werden. Interessanterweise ist mir der Stiel oft lieber als der Hut: Er hat, kommt mir vor, meist die bessere, weil knackigere Konsistenz.

Ich putze meine Steinpilze erst grob mit einem Messer und spüle sie dann, wenn sie sehr schmutzig oder staubig-sandig sind, unter laufendem Wasser kurz ab. Einem alten Volksglauben zum Trotz tut ihnen das überhaupt nicht weh, schon gar nicht, wenn sie nachher noch etwas lufttrocknen dürfen.

Foto: Tobias Müller

Steinpilze enthalten, so wie alle Pilze, so gut wie gar kein Fett, bevor sie gegrillt werden, ist es daher unbedingt nötig, sie mit Olivenöl einzustreichen. Am besten geht das mit einem Pinsel. Bestreichen Sie beide Pilzseiten, schon bevor sie auf dem Rost landen – wenn Sie während des Grillens pinseln und das Öl ins Feuer tropft, gibt das eine ordentliche Flamme, die nicht gut ist für den Geschmack.

Sonst gilt nur: halbieren (außer sie sind riesig, aber dann sind sie meist eh nicht so gut und eher zum Trocknen geeignet), über direkter, mittelhoher Hitze braten, bis sie schön braun sind, und kurz vor dem Servieren großzügig salzen. Bloß so servieren, mit nichts, was von ihrem fantastischen Geschmack ablenken könnte. Fertig ist eines der besten Essen, die man mit so wenig Aufwand selber machen kann.

Wer sie roh essen will: dünn aufschneiden, salzen, feingehackte Nüsse, einige Blättchen frischen Thymian und eine Idee feingeriebenen Käse darauf verteilen. Ich finde, Ziegenkäse steht Steinpilzen besonders gut. Alles mit etwas Olivenöl beträufeln (am besten mit solchem, in dem Steinpilzabschnitte ein paar Tage ziehen durften). (Tobias Müller, 12.9.2022)

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(1) Spontan fallen mir sonst noch ein: Seeigel und generell die meisten Meeresfrüchte (roh), Trüffeln (roh), Garnelen (roh oder gegrillt), richtig gutes Rindfleisch (gegrillt), richtig guter Fisch (roh oder gegrillt), Tauben (gegrillt) und Sardellen (gilt das als roh?).

(2) Diese Pilzseite hier meint, sie wachsen nördlich der Alpen vor allem entlang ehemaliger Römerstraßen, weil sie wohl hier einst von den Legionären mitgebracht wurden. Das würde erklären, warum man sie angeblich gelegentlich am Leithaberg finden kann.

(3) Er findet auch Matsutake fad und Morcheln und Trüffeln überbezahlt. Seine Favoriten und Preis-Leistungs-Sieger sind Eierschwammerln. Matsutake kann ich mangels Erfahrung leider nicht beurteilen, aber bei Trüffeln und Morcheln habe ich ihm entschieden widersprochen. Bei der Köstlichkeit von Steinpilzen waren wir uns erfreulicherweise einig.