Ein typischer Abend in einem Club in der Wiener Innenstadt: Die Tanzfläche ist voller verschwitzter Menschen, die Musik ist laut, wir trinken in rauen Mengen. Nur ist es nicht zwei Uhr nachts, sondern kurz vor 18 Uhr an einem Dienstag. Statt Gin Tonic gibt es Wasser, und auf der Tanzfläche wurden 50 rote Trainingsmatten ausgerollt. Gleich beginnt unser "Discotraining", bei dem wir nicht durch Dance-Moves, sondern durch ein hochintensives Training ins Schwitzen kommen.

30 Sekunden Vollgas, 10 Sekunden Pause: Das Workout funktioniert nicht nur, aber auch auf einer Tanzfläche.
Foto: Regine Hendrich

Auf die Idee, seine Workouts auf die Tanzfläche zu verlegen, kam der Wiener Fitness-Unternehmer Philipp Hold gemeinsam mit seiner Geschäftspartnerin Laura Hofbauer während des Corona-Lockdowns: Die Fitnessstudios waren im heurigen Jänner zwar wieder offen, doch die Clubs blieben noch zu. Die ersten Discotrainings fanden im Goodmann im vierten Bezirk statt, auf der dortigen Tanzfläche ging Hold aber bald der Platz aus.

Aktuell finden seine Workouts im "O – der Klub" statt, das ist gleich bei der Oper, wo früher in der Albertinapassage getanzt wurde. Von der Kooperation profitieren beide Seiten, ist Hold überzeugt: Ein Club verfügt über Sound- und Licht-Equipment, das sich ein Fitnessstudio nicht leisten kann. Dafür bringt der Sport eine neue Zielgruppe, die vielleicht Gefallen an der Location findet und zum Feiern am Samstagabend zurückkommt.

Kniebeugen oder Sit-ups

Der Großteil der heute Anwesenden ist weiblich und bis zu 40 Jahre alt. Eine Gruppe feiert den 15. Geburtstag einer Freundin, sie haben sich die Zahl 15 mit knallbunten Leuchtfarben auf die Arme geschrieben. Die Farben gibt es draußen zur freien Entnahme, bei der Garderobe, wo man normalerweise die Jacke abgibt, bevor man in den Club abtaucht.

Wer will, darf vor dem Training tief in den Farbtiegel greifen.
Foto: Regine Hendrich

Hier bemalen sich einige Frauen vor einem Spiegel noch ihre Arme und ihren Bauch mit Punkten, Herzen und Strichen. Einige trauen sich auch über Kriegsbemalung im Gesicht. Ich will es nicht gleich übertreiben und male mir ein Herz und Schlangenlinien auf den Arm.

Dann geht es los. Erst wird mit Schulterkreisen und Hampelmännern aufgewärmt, dann stellt eine Trainerin kurz die Übungen für den ersten von vier Teilen des Workouts vor. Es sind Übungen mit dem eigenen Körpergewicht. Je nach Körperpartie, die gerade trainiert wird, sind das zum Beispiel Push-ups mit Shoulder-Taps oder unterschiedliche Variationen von Kniebeugen oder Sit-ups. Die Übungen werden jeweils 30 Sekunden gemacht, dann machen wir zehn Sekunden Pause. Danach geht es mit der nächsten Übung weiter. Der ganze Block wird dreimal wiederholt. Zugegeben: Beim dritten Mal tut es schon ein wenig weh.

"Komm, komm, komm!"

Aber genau so funktioniert HIIT, also High Intensity Interval Training. Dabei wird der Körper immer wieder für ganz kurze Zeit an den Anschlag gebracht. Das Training ist in den letzten Jahren populär geworden, weil man sich damit innerhalb kürzester Zeit völlig auspowert. Das geht sich auch nach einem langen Bürotag noch aus.

HIIT ist ein intensives Training – dafür geht es schnell vorbei.
Foto: Regine Hendrich

Jetzt dreht der DJ die Musik richtig auf, bunte Lichtkegel kreisen durch den Raum. Philipp Hold und eine zweite Trainerin laufen durch das Studio, greifen ein, wenn Fehler gemacht werden, und schreien "Komm, komm, komm" oder "Zehn Sekunden noch, gemma!", wenn jemand schlappmachen will. Die Musik ist so laut, dass man die beiden nicht immer versteht – dass sie motivieren wollen, geht aus ihrem Herumgehopse aber eindeutig hervor. Dann ist der erste Teil geschafft. Kollektives Zur-Wasserflasche-Greifen – aber falsch gedacht: Erst müssen noch 30 Sekunden lang Hampelmänner gemacht werden. Die STANDARD-Fotografin wirft mir einen mitleidigen Blick zu.

Wer nach einer Mischung aus Fitness und Feiern sucht, hat in Wien mittlerweile eine große Auswahl: Bei "Fame Boxing" im ersten Bezirk ist es zum Beispiel auch dunkel, auch dort wähnt man sich trotz von der Decke baumelnder Boxsäcke weniger im Fitnessstudio als vielmehr in der Disco: Techno statt Trainingsplan also.

In der Nebelsuppe

Auch in den Studios von Supercycle wird in der Dunkelheit und bei lauten Beats unter einer Discokugel in die Spinning-Pedale getreten. "Die Dunkelheit ermöglicht eine gewisse Anonymität", sagt Rhana Loudon, eine der Gründerinnen von Supercycle. "Man kann sich mehr auf seinen Körper konzentrieren, ist weniger abgelenkt – und es fühlt sich nach Feiern an." Bei der Konzeption der Studios – mittlerweile gibt es vier in Wien – habe man sich bewusst an der Atmosphäre von Clubs orientiert.

Vor der Wasserpause stehen 30 Sekunden Hampelmänner auf dem Programm, um den Puls in die Höhe zu treiben.
Foto: Regine Hendrich

Damit werden Menschen angesprochen, die sich im cleanen Fitnessstudio nicht wohlfühlen – und die sich durch laute Musik und gute Stimmung durch ihr Training peitschen lassen wollen. Noch ein Vorteil des Trainings im Club: Man muss sich keine Sorgen machen, was die anderen Leute denken. Spiegel gibt es beim Discotraining keine.

Außerdem ist es so anstrengend, dass man sich nur auf sich selbst konzentriert, und so finster, dass man die anderen nicht wahrnimmt. Die Nebelmaschine, die in regelmäßigen Abständen mit einem leisen "Puff" eine Nebelwolke über die Tanzfläche spuckt, in der sogar die eigene Matte versinkt, tut ihr Übriges.

Gut so. Denn innerhalb kurzer Zeit sind wir alle durchgeschwitzt. Nur die Kriegsbemalung sitzt. Das Training ist hart, aber es geht schnell vorüber: Nach 50 Minuten ist der Abend im Club vorbei – und draußen ist es immer noch hell. Das ist das Gute an einem Workout im Club: Brummenden Schädel gibt es danach keinen. Vom Abend bleiben nur bunte Bemalungen auf den Armen – und mit ziemlicher Sicherheit ein Muskelkater. (Franziska Zoidl, 18.9.2022)