Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) soll Daten aus jener Zeit, in der Sebastian Kurz noch Regierungschef war, an den U-Ausschuss liefern.

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Es ist eine wahrlich verzwickte Lage, in der sich die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und das Kanzleramt seit einem Monat befinden. Wie berichtet, wollen Ermittler der WKStA in der Inseraten- und Umfragenaffäre Daten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kanzleramts sicherstellen. Doch dieses will der Anordnung zur Sicherstellung der WKStA vom 16. August nicht nachkommen. Grundsätzlich ist einer solchen Anordnung natürlich Folge zu leisten. Dem Kanzleramt schwebt aber vor, sich stattdessen mit der Korruptionsstaatsanwaltschaft auf einen anderen Weg zu einigen, der sich bislang allerdings nicht abzeichnet.

Nun schaltet sich auch der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss in die Angelegenheit ein und leistet der WKStA Schützenhilfe. SPÖ, FPÖ und Neos haben die Lieferung all jener Daten aus dem Kanzleramt in den U-Ausschuss beantragt, die dieses der WKStA bislang verweigert – das entsprechende Verlangen an Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) wurde bereits eingebracht und liegt auch dem STANDARD vor.

Schützenhilfe für Korruptionsermittler

In dem Verlangen heißt es: "Der Bundeskanzler wird (...) ersucht, dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss alle – bislang nicht vorgelegten – Akten und Unterlagen von zumindest abstrakter Relevanz für die Untersuchung aus E-Mail-Postfächern, E-Office-Dokumenten (...) und persönlich zugeordneten Laufwerken" vorzulegen – und zwar von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Kanzleramt, die im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig oder im Kanzlerkabinett für diese Themen zuständig waren. Die Frist für die Vorlage beträgt zwei Wochen.

"Die ÖVP behindert nach wie vor die Justiz an der Aufklärung der Vorwürfe gegenüber Kurz (Sebastian, Ex-Kanzler, Anm.) und anderen ÖVP-Granden", sagt SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer. Deshalb würden SPÖ, FPÖ und Neos nun dieselben Unterlagen einfordern wie die Justiz. "Vielleicht geht das schneller, und wir können der unabhängigen Justiz bei der Aufklärung helfen", meint Krainer.

Damoklesschwert Verfassungsgerichtshof

Damit erhöht der U-Ausschuss den Druck auf das Kanzleramt, denn der Streit könnte letztlich sogar vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) landen. Sollte sich das Kanzleramt nämlich auch gegenüber dem U-Ausschuss weigern, die angeforderten Daten zu liefern, könnte die Opposition vor den VfGH ziehen. Fälle aus der Vergangenheit zeigen, dass SPÖ, FPÖ und Neos bislang immer erfolgreich waren, wenn sie Themen rund um verweigerte Akten- und Datenlieferungen vor das Höchstgericht brachten.

Weshalb die Ermittler der WKStA diese Daten wollen, ist schnell erklärt. Und zwar, weil in den bereits sichergestellten Daten der in der Affäre beschuldigten (Ex-)Kanzleramtsmitarbeiter – also beispielsweise Ex-Pressesprecher Johannes Frischmann oder Kurz-Medienberater Gerald Fleischmann – aufgrund von Löschungen laut WKStA nur sehr wenig zu finden sei. Die Ermittler erhoffen sich, über E-Mails und Co ehemaliger und nichtbeschuldigter Kolleginnen und Kollegen mehr herausfinden zu können. Und auch der U-Ausschuss hält diese Daten für notwendig, um die Inseraten- und Umfragenaffäre vollumfänglich aufklären zu können. (Sandra Schieder, 15.9.2022)