Berufserfolge stellen sich nicht nur wegen, sondern häufig auch trotz Verhaltensmängeln ein. Verhaltensweisen, die aus persönlicher Sicht zum Erfolg beigetragen haben, erweisen sich früher oder später als Fußangel und behindern das weitere Vorankommen. Wird diese Selbstsabotage nicht erkannt, kommt der Berufserfolg an einen toten Punkt. Um diese Negativentwicklung und Überlegungen, wie sie zu vermeiden ist, dreht sich das Buch von Marshall Goldsmith. Es legt Verhaltensweisen offen, die das berufliche Fortkommen ausbremsen können.

Als Universitätsprofessor, Unternehmensberater und Coach verfügt Goldsmith (Jahrgang 1949) über einen beachtlichen fachlichen wie erfahrungsgestützten praktischen Wissenshintergrund. Diese Expertise erlaubt es ihm, an Überzeugungen zu kratzen, die erfolgskritisch sind, weil sie in ihrer Wirkung im führenden wie kollegialen Umgang andere immer wieder vor den Kopf stoßen. Diese Wirkung wird aber gar nicht wahrgenommen, was praktisch bedeutet, nicht nur permanent andere zu beschädigen, sondern auch sich selbst.

Beim beruflichen Vorankommen steht man sich oft selbst im Weg. Wird diese Selbstsabotage nicht erkannt, kommt der Berufserfolg an einen toten Punkt.
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Auf die Fährte dieser Selbstdemontage brachte Goldsmith eine Bemerkung von Peter F. Drucker. Zur Erinnerung: Peter Ferdinand Drucker war ein 1909 in Wien geborener und 2005 verstorbener US-amerikanischer Ökonom, der mit Anfang der 1940er-Jahre begann, zahlreiche einflussreiche Bücher über Theorie und Praxis des Managements zu veröffentlichen. Drucker gilt als Pionier der modernen Managementlehre. "In meinen Jahren als Vorstandsmitglied der Peter F. Drucker Foundation hatte ich viele Gelegenheiten, diesem großen Mann zuzuhören", schreibt Goldsmith.

Verhaltensweisen ablegen

"Von den unzähligen klugen Dingen, die Peter Drucker äußerte, blieb mir diese Weisheit als wichtigste in Erinnerung: Wir verbringen sehr viel Zeit damit, Führungskräften beizubringen, was sie tun sollen. Wir verbringen nicht genug Zeit damit, ihnen beizubringen, womit sie aufhören sollten. Die Hälfte der Führungskräfte, die ich kennengelernt habe, müssen nicht lernen, was sie tun sollen. Sie müssen lernen, womit sie aufhören sollten." Und um dieses Aufhören drehen sich die 366 Seiten des informativ und unterhaltsam – in der typischen amerikanischen Erzählweise mit vielen eingestreuten Episoden – geschriebenen Buches.

In dessen ersten Teil "Das Problem mit dem Erfolg" beleuchtet Goldsmith "Umgangsqualitäten", die zwar vorangebracht haben, aber mit der Zeit aufgrund ihrer immer deutlicher zutage tretenden Frustrationsqualitäten dem weiteren Vorankommen nicht dienlich sind. Im Kapitel "Die Erfolgsillusion oder: Warum wir uns weigern, uns zu ändern" wird Goldsmith deutlich: "Je mehr wir davon überzeugt sind, dass unser Verhalten das Ergebnis unserer eigenen Entscheidungen und unseres persönlichen Engagements ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns ändern wollen. Doch der Irrtum ist, was erfolgreich gemacht hat, muss nicht automatisch auch noch erfolgreicher machen. Das einzusehen, das fällt nicht leicht."

Zwiespalt im Denken

Als große Einsichtsbremse wirkt die kognitive Dissonanz. Das ist der Zwiespalt im Denken, der verhindert, sich aus eingefahrenen Denk- und Verhaltensweisen zu befreien, und immer wieder dazu verführt, wider eigentlich besseres Wissen zu handeln. Kognitive Dissonanz beschreibt die Diskrepanz zwischen unseren Überzeugungen, dem daraus folgendem Handeln und dessen praktischer Wirkung.

Im Fall des fragwürdigen beruflichen Umgangsverhaltens führt die kognitive Dissonanz dazu, dass der durchaus erkennbare Unmut über das Verhalten nicht verhaltensändernd zur Kenntnis genommen wird. Die zugrunde liegende Theorie lässt sich einfach zusammenfassen: Je mehr wir davon überzeugt sind, dass etwas wahr und richtig ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass wir die gegenteilige Wahrheit akzeptieren werden, selbst wenn die Beweise, dass wir mit unseren Überzeugungen falschliegen, erdrückend sind. Und weil die kognitive Dissonanz überall ihre Finger im Spiel hat, ist es auch schwer bis schier unmöglich, Vorgesetzten zu widersprechen und sie selbst mit den stichhaltigsten Argumenten aus ihrem Überzeugungsbunker herauszuholen. Oder sie von der Einstellung abzubringen: Nicht gemeckert ist schon genug gelobt.

Wer sich einmal aus der kognitiven Dissonanz heraus in seinem Verhalten "eingerichtet" hat, wird erstaunlich resistent gegenüber Signalen, dass sie oder er auf einer Schiene unterwegs ist, die Richtung Prellbock führt. Diese Reise will Goldsmith verhindern. Dazu listet er im zweiten Teil des Buches 20 Gewohnheiten auf, die erfahrungsgemäß dem beruflichen Fortkommen schaden: 1. Immer gewinnen wollen. 2. Übermäßiges Einmischen. 3. Ständiges Be- und Verurteilen. 4. Destruktive Kommentare abgegeben. 5. Sätze mit "Nein", "aber" oder "allerdings" einleiten. 6. Aller Welt verkünden, wie schlau wir sind. 7. Sich äußern, wenn man verärgert oder zornig ist. 8. Negativität oder "Ich erkläre Ihnen mal, warum das nicht funktioniert". 9. Information zurückhalten. 10. Gebührende Anerkennung verweigern. 11. Anerkennung einfordern, die uns nicht zusteht. 12. Ausreden erfinden. 13. Die Vergangenheit vorschieben. 14. Bevorzugung. 15. Sich weigern, Reue zu zeigen. 16. Nicht zuhören. 17. Keine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. 18. Den Überbringer schlechter Nachrichten bestrafen. 19. Anderen die Schuld geben. 20. Übertriebene Selbstbezogenheit.

Sprung über den Schatten

Der dritte Teil des Buches legt dann dar, "wie wir unser Verhalten zum Besseren verändern können". Goldsmith präsentiert eine Sieben-Schritte-Methode, "mit der Sie Ihre zwischenmenschlichen Beziehungen zum Positiven verändern und diese Veränderungen dauerhaft beibehalten können". Regt sich die Einsicht, sich mit anderen Menschen auf neue Weise – auf weniger düpierende Weise – ins Benehmen zu setzen, heißt die selbstkritisch zu lösende Aufgabe, die verhaltensprägende Dominanz beziehungskritischer Verhaltensweisen abzubauen.

Der Sprung über den eigenen Schatten ist bekanntlich der schwerste. "Ziehen Sie alle Register" nennt Goldsmith sein viertes Kapitel, in dem er mit Regeln bekannt macht, die Verhaltensänderungen erleichtern können. Wenn auch die eine oder andere Anregung für europäische Ohren gewöhnungsbedürftig klingt, die Tipps von Goldsmith sind des Nachdenkens wert. (Hartmut Volk, 22.9.2022)