In einer eineinhalbstündigen Rede buhlte FPÖ-Chef Herbert Kickl auf dem Bundesparteitag um die Gunst der 611 anwesenden Delegierten – und das machte sich auch bezahlt.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Es war ein Parteitag, der ganz nach blauem Drehbuch verlief und an dessen Ende schließlich ein Wahlergebnis von über 90 Prozent stand. Herbert Kickl stellte sich am Samstag bei einem Bundesparteitag in St. Pölten seiner erstmaligen Wiederwahl – und wurde mit 91 Prozent für die nächsten drei Jahre an die blaue Spitze gewählt.

Kein Denkzettel

Ausgemacht war die Sache keineswegs. Nachdem in der FPÖ im August interne Machtkämpfe zutage getreten waren, schwebten mögliche Streichungen bei der Wiederwahl auf dem Parteitag wie ein Damoklesschwert über Kickl. Die Angst erwies sich aber als unbegründet. Doch was bedeutet das Wahlergebnis nun für Kickl und die Partei?

Ganz überraschend kam es nicht, dass Kickls Wieder- zu keiner Denkzettelwahl wurde. Nachdem publik geworden war, dass auf dem Smartphone von Hans-Jörg Jenewein, Kickls einstiger rechter Hand, eine anonyme Anzeige gegen Parteifreunde aus der Wiener FPÖ gefunden worden war, rumorte es bei den Blauen; Kickl geriet unter Druck. Doch die Angelegenheit beruhigte sich innerparteilich rasch wieder. Nicht zuletzt, weil Kickls interne Kritiker aktuell kein Interesse daran haben, öffentlich Kritik am Obmann zu üben oder ihn gar infrage zu stellen. Sie wären die Sündenböcke für schlechte Ergebnisse bei den anstehenden Wahlen. "Deshalb war es aus deren Sicht vollkommen logisch, jetzt keine Palastrevolte anzuzetteln", sagt Politikberater Thomas Hofer zum STANDARD.

Unbekanntes als Gefahr

Kickl sitzt damit spätestens seit Samstag fest im Sattel. Sein Wahlergebnis ist genau jenes Signal der Geschlossenheit, das er gebraucht hat. Unruhe hat er bis auf weiteres nicht zu befürchten. Und Kickl hat geschafft, was er sich insgeheim vorgenommen und erhofft hatte: mehr Zustimmung zu erhalten als beim letzten Mal. Im Vorjahr wurde er mit 88 Prozent zum Parteichef gekürt. "Es kann ihm nun keiner ein schlechtes Ergebnis unter die Nase reiben oder vorhalten", sagt Hofer.

Mittel- bis langfristig kann Kickl sich davon aber nichts kaufen. Weder zementiert ein gutes Ergebnis eine Parteichefin oder einen Parteichef ein, noch bedeutet ein mageres Ergebnis, dass die Person an der Parteispitze angezählt ist. Nicht zuletzt weil jene, die mit Kickl unzufrieden sind, keine Personalalternative in petto haben, braucht sich Kickl derzeit nicht groß zu sorgen. "Es gibt keine Gemengelage bis auf das Unbekannte, die ihn gefährdet", sagt Politikwissenschafter Peter Filzmaier zum STANDARD. Er bezieht sich damit auf das Risiko, dass auf Jeneweins Smartphone weiteres Material existiert, das publik werden und für Unruhe sorgen könnte.

Mit Krawall ins Kanzleramt

Wenn Kickl in seiner eineinhalbstündigen Brandrede auf dem Parteitag eines klargemacht hat, dann dass er nicht gedenkt, an seinem Stil etwas zu ändern, sondern jenen Krawallkurs fortsetzen wird, der die FPÖ in den Umfragen dorthin gebracht hat, wo sie jetzt ist. Größter Kritikpunkt innerhalb der Partei ist, dass dieser Kurs das Regieren de facto unmöglich macht. Insbesondere in Oberösterreich, dem einzigen Bundesland, in dem die Blauen noch an den Schalthebeln der Macht sitzen, fragt man sich: Will Kickl überhaupt regieren oder sich doch in der Opposition einzementieren?

Dieser Kritik versuchte Kickl den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er die Eroberung des Kanzleramts als Ziel formulierte und auch schon so manchen blauen Landeshauptmann am Horizont sah. Kurz nach seiner Wahl sagte er: "Jetzt geht es los in Richtung Kanzleramt."

Filzmaier verweist auf Daten, wonach zwei Drittel der blauen Wähler wollen, dass die FPÖ regiert. Das sei nicht immer so gewesen, habe sich im letzten Jahrzehnt aber gewandelt. "Das Signal, regieren zu wollen, muss Kickl an die eigenen Leute aussenden, weil die nicht hören wollen: ‚Wir sind für immer in Opposition.‘" Laut Hofer sei die Botschaft Kickls gewesen: "Freunde, seht euch die Entwicklung an: Wir haben die Möglichkeit, Nummer eins zu werden und wieder in Regierungsverantwortung zu kommen." (Sandra Schieder, 18.9.2022)