Im Gastblog zeigt Alexander Fried, wie sich der Neue Markt im Laufe der Geschichte verändert hat.

Zwischen Oper und Stephansplatz gelegen und einen Steinwurf von der Kärntner Straße entfernt, befindet sich mit dem Neuen Markt einer der prominentesten Plätze der Wiener Innenstadt. Entstanden ist der Marktplatz im Mittelalter, als der Hohe Markt für die Versorgung der Stadtbevölkerung nicht mehr ausreichte. Er entwickelte sich rasch zum Umschlagplatz von aus dem Süden gelieferten Waren, insbesondere für Getreide und Mehl. Auch wenn der Markt später zu einem Viktualienmarkt wurde, hielt sich der umgangssprachliche Name "Mehlmarkt" bis ins 20. Jahrhundert. Mittlerweile sind aber auch die Marktstände vom Platz verschwunden.

Marktstände auf dem Neuen Markt.
Foto: 1962 Fortepan (CC-BY-SA-3.0) / Pozsgay Eszter, 2021 Alexander Fried

Zentrales Element des Platzes ist der von Georg Raphael Donner gestaltete Providentiabrunnen aus dem 18. Jahrhundert. Die Hauptfigur, die Providentia, ist von vier Putten umgeben, die die Donau symbolisieren. Die vier wichtigsten Zuflüsse der Donau des Erzherzogtum Österreichs (Traun, Enns, Ybbs und March) werden durch die Figuren am Brunnenrand dargestellt.

Der Letztzustand des Neuen Markts vor dem Start der Bauarbeiten.
Foto: 1910 ÖNB / onb.digital, 2018 Alexander Fried

Der Brunnen wurde für die Wasserversorgung der Anrainer genutzt, durch die Entnahme des Wassers wurde er im Laufe der Jahre auch stark beschädigt. Somit musste der Brunnen von 1871 bis 1873 komplett neu errichtet werden. Die Originalfiguren wurden durch Bronzekopien ersetzt und waren bis zuletzt im Belvedere ausgestellt. Sobald die Umbauarbeiten des Wien-Museums abgeschlossen sind, werden die Figuren dort zu sehen sein.

Gänzlich abgetragen wurde der Brunnen aus zwei weiteren Gründen: einmal zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, um ihn vor Bombentreffern zu schützen, und zuletzt während des Bau der Tiefgarage.

Der Providentiabrunnen war bis zuletzt von Fahrspuren umgeben.
Foto: 1967 Fortepan (CC-BY-SA-3.0) / LHM, 2022 Alexander Fried

Mit dem Kapuzinerkloster und der dort befindlichen Kaisergruft befindet sich eine weitere bekannte Sehenswürdigkeit am Neuen Markt. Hier fanden die meisten Habsburger ihre letzte Ruhe. Der Letzte, der 2011 hier bestattet wurde, war Otto Habsburg-Lothringen, der letzte Kronprinz Österreich-Ungarns. Die im 18. Jahrhundert angebrachte Verzierung der Fassade wurde in den 1930er-Jahren wieder entfernt, seitdem ziert ein Fresko die Front.

Die im 18. Jahrhundert angebrachte Verzierung der Fassade der Kapuzinerkirche wurde in den 1930ern wieder entfernt.
Foto: 1899 ÖNB / Lichtbildstelle / onb.digital, 2022 Alexander Fried

Apropos "letzte Reise": Diese endete für die Straßenbahn am Neuen Markt im Jahr 1948. Dadurch verlor die Wiener Innenstadt ihre zentralste Endhaltestelle, andere Linien endeten ja bekanntlich an der Wiener Ringstraße oder in ihrer unmittelbaren Nähe. Zuvor konnte man von hier umsteigefrei bis nach Hietzing und Unter-St.-Veit fahren.

Donnerbrunnen mit einer Straßenbahn im Bildhintergrund.
Foto: 1938 ÖNB / Lichtbildstelle, 2022 Alexander Fried

Das heute dominierende Herrnhuterhaus am Nordende des Neuen Markts ersetzte 1900 vier kleinere Gebäude. Im Gegensatz dazu blieben die Häuser an der Westseite des Platzes bis heute erhalten.

Die Häuser am linken Bildrand blieben bis heute weitgehend unverändert, im Hintergrund das Herrnhuterhaus bzw. seine Vorgängerbauten.
Foto: 1898 ÖNB / onb.digital / Erwin Pendl, 2022 Alexander Fried

Diese Häuserzeile überstand auch die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs glimpflich, doch auf der gegenüberliegenden Platzseite gab es beträchtliche Schäden. Die Gebäude wurden mit einer schlichten Fassade wieder instand gesetzt. Die südliche Stirnseite des Neuen Markts wurde ebenfalls durch Bombentreffer stark in Mitleidenschaft gezogen. Hier wurden die Kriegsruinen abgerissen und durch moderne Gebäude abgelöst.

Die zerstörten Gebäude des Neuen Markts wurden durch in der Nachkriegszeit ersetzt.
Foto: 1945 ÖNB / VGA / onb.digital, 2022 Alexander Fried

Bis zum Bau der Tiefgarage wurden weite Teile des Platzes als Autoabstellplatz beziehungsweise Taxistand genutzt. Mit der Entscheidung, unter dem Neuen Markt eine Tiefgarage zu errichten, konnte die Oberfläche neu gestaltet werden. Ein Großteil des Platzes wurde zur Fußgängerzone, zwischen Gluck- und Plankengasse wurde jedoch ein Fahr- und ein Parkstreifen beibehalten. Neu ist die Begrünung des Platzes: Erstmals wurden in Wien 25 Jahre alte Bäume gepflanzt, die im Gegensatz zu Jungbäumen schon von Anfang an Schatten spenden. Bei der Begrünung hätte man aber durchaus mutiger sein können: Weite Flächen des Platzes bleiben versiegelt und werden sich wohl im Sommer bei hohen Temperaturen aufheizen. (Alexander Fried, 22.9.2022)

Große Flächen des Platzes dienten bis zuletzt als Autoabstellplätze.
Foto: 1962 Fortepan (CC-BY-SA-3.0) / Jakab Antal, 2022 Alexander Fried