Claudia Kainberger, Theresa Martini und Benjamin Vanyek begeben sich auf Spurensuche in "Amsterdam".

Marcel Koehler

Wien – Eine Jüdin, wohnhaft in Amsterdam, bekommt eines Tages eine horrend hohe Gasrechnung zugestellt. Man meint, einen ganz schlechten Witz zu hören, ist aber mitten im Stück der israelischen Dramatikerin Maya Arad Yasur, das auf historischen Belegen fußt.

Tatsächlich erhielten Holocaust-Überlebende im Bürokratiedschungel nach dem Krieg oftmals geballte Rechnungen (Mahnbescheide) vom Stadtamt. Yasurs Stück erzählt aber von heute und von deutlich mehr. Amsterdam ist ein Theaterstück über das Lebensgefühl einer jungen Israelin in einer weltoffenen Stadt und ihre identifikatorischen Reflexionen. 2018 uraufgeführt, feierte es nun im Hamakom Wien seine österreichische Erstaufführung.

Amsterdam entwickelt modulhaft entlang von verschiedenen Erzählblöcken eine Lebensskizze, deren Logik immer wieder aus den Angeln gehoben wird. Die Autorin selbst betrachtet das Stück als eine "Babuschka aus Versuchen", nach der diese Geschichte zu rekonstruieren sei. Regisseur Alexandru Weinberger-Bara hat sich daran gehalten und schickt zwei Performerinnen und einen Performer in eine angedeutete Arenabühne – eine Rundleinwand (Bühne, Video, Licht: Andreas Braito) umfasst die Publikumsreihen.

Jan und sein Jenever

Claudia Kainberger, Theresa Martini und Benjamin Vanyek begeben sich hier in beigen Casual-Klamotten auf die Spurensuche: Woher kommt die Rechnung? Was hat es mit dem alten Nachbarn Jan und seinem Jenever auf sich? Und hat der Gynäkologe antisemitische oder "nur" sexistische Gedanken?

Die erste Hälfte des Abends bleibt dabei etwas langatmig, da dieser anfängliche erzählerische Aufriss über eintönige Körper- und Sprechübungen nicht hinausführt. Umso abenteuerlicher wird es dann im letzten Drittel, als sich die Spurensuche zunehmend materialisiert, Requisiten ins Spiel kommen und schließlich auch die große Rundleinwand, auf die Bilder einer Live-Handykamera geworfen werden.

Allerdings wirken diese Illustrationen bemüht. Auch die Videosequenz vom Fußballclub Ajax Amsterdam, der eine jüdische Scheinidentität kultiviert, bleibt ein Fremdkörper. (Margarete Affenzeller, 23.9.2022)