"Panoramaroute oder die dynamische?", fragten die Veranstalter am Abend vor den Testfahrten noch rasch durch. Die meisten wählten dynamisch, weil ja gerade erst die Brabus-Version enthüllt worden war, die erneut die dynamische Speerspitze bei Smart darstellt, und um sich generell ein Bild von den Fahreigenschaften des Doppelkreuz eins zu machen, den die Markenrepräsentanten auf Neumandarin Hashtag one nennen und der sich kurz und unspektakulär #1 schreibt.

Der Smart aus China ist ein kompakter SUV und ein in sich stimmiges Gefährt. Deutsch ist nur noch das Design, die Technik steuert Joint-Venture-Partner Geely bei.
Foto: Smart Europe GmbH

Autobahn Lissabon hoch in Richtung Sintra. Zwischen dort und dem Cabo da Roca, Festlandeuropas westlichstem Punkt, gibt es pittoreske Landschaften, den grandiosen Naturpark Sintra-Cascais mit Pedra Amarela, und kurvige, wenig befahrene Straßen. Der emissionsfreie #1 darf passieren, dort und insgesamt auf der ersten möglichen Testfahrt in diesem Automobil, mit dem die einstige Daimler-Kleinstwagenmarke ihren nächsten Neustart, den dritten mittlerweile, unternimmt – mal sehen, ob auch hier Hermann Hesses berühmtes Wort "und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne" gilt –, habe ich mir Folgendes notiert, Beobachtungen, wie sie der Reihe nach in den Notizblock gepurzelt sind. Vorausbemerkung noch: Wahl der Waffen war die Version "Premium", folglich Heckantrieb mit 200 kW, in alter, kreatürlich basierter Währung: 272 PS.

Betatschen erwünscht

Zunächst: einsteigen, losfahren. Kein Startknopf-Drücken vonnöten. Sodann: Zwei Rekuperationsstufen sind abrufbar. Die Grundeinstellung liegt im Nahbereich von Segeln, sie bewirkt moderates Verzögern, die andere Stufe greift deutlicher ein, bleibt aber immer noch meilenweit weg vom Einpedalbetrieb. Suboptimal, weil ablenkend: Sie ist nicht über Wippen am Lenkrad anwählbar, sondern nur über den 12,8 Zoll großen Berührungsbildschirm. Über "quick control" statt "standard" bitte "strong" anwählen.

Nächster Punkt: 200 kW gehen willig ans Werk, fährt sich sauber, der #1, Fahrwerk brav abgestimmt auf der straffen, der deutschen Seite. Smart-Urgestein Tilo Schweers, Vizechef Forschung und Entwicklung, hatte am Vortag darauf hingewiesen, man habe auf diese (zentral)europäische Abstimmung besonderen Wert gelegt, er hat nicht geflunkert.

Der #1 lenkt sich sauber, im Sport-Modus wird das Lenkgefühl aber ein wenig gefühllos.
Foto: Smart Europe GmbH

Der Wagen lenkt sich auch sauber, allerdings: Im Sport-Modus versteift die Lenkung und wird zwar direkter, aber auch gefühlloser. Und wenn wir schon dabei sind: Auch wenn du vorher den Spurhalteassistenten deaktiviert hast, greift der "smart pilot assist" bei Fahrt mit adaptivem Tempomat rigoros in die Lenkung ein.

Prinzipiell lässt sich der kompakte SUV aus China aber recht lustig durch die Kurven schupfen, wenn man es einmal darauf anlegt. Verbrauch? Laut Normtest beim #1 Premium 16,7 kWh / 100 km, bei meiner ersten Ausfahrt meldete der Bordcomputer rund 18. Alles im grünen Bereich so weit.

Die Sitzfläche ist ein wenig kurz geraten, aber die Rückbank lässt sich zwei zu eins verschieben, umklappen und sogar in der Lehnenneigung verstellen.
Foto: Smart Europe GmbH

Spiegelverstellung? Herrje. Taucht bei der Sitzverstellung als Option am Schirm auf, dann rasch hinlangen und gewünschte Position über den Lautstärkeregler rechts am Volant einstellen. Einmal abgespeichert auf eine Sitzposition, merkt sich der #1 das aber. Die Sitze vorn sind straff, bieten guten Seitenhalt, dort und auch hinten ist jedoch die Schenkelauflage ein wenig kurz geraten. Schlaue Sache hingegen: Die Rückbank lässt sich zwei zu eins verschieben, und obendrein ist die Lehnenneigung verstellbar.

Ebenso positiv zu vermerken ist der Ansatz zur Alltagserleichterung an Bord. Große Fächer in den Türen, in denen sich der klassische österreichische Doppler zwar nicht ausgeht, alles darunter aber vermutlich schon. Zentral findet sich weiters ein großes Mittelfach, davor zwei Becherhalter, wiederum davor das induktive Ladefach für das Schlaufernsprechgerät sowie zwei USB-C-Anschlüsse und unter dieser schwebenden Brücke noch eine große, nicht ganz rutschfeste Ablage.

Der Kofferraum fasst tüchtige 323 Liter, bei "Premium" und Brabus sind es zehn Liter weniger (vorn im Frunk – 15 Liter – lässt sich noch das Jausenbrett mit zugehöriger Jause verstauen, zum Beispiel). Die Ladekante ist aber recht hoch, und die obere, die Sicht-Abdeckung des Laderaums, mit einer Schnur an der Heckklappe fixiert, bleibt selbst bei gänzlich geöffneter Heckklappe beinahe flach und behindert somit das Beladen. "Murks", kommentierte Smart-Mann Schweers ohne viel Federlesens.

Der Smart-SUV ist außen wie innen sauber gezeichnet, das Kuppeldach erinnert an den Mini Countryman, an dessen Abmessungen der #1 sich auffällig orientiert.
Foto: Smart Europe GmbH

Optik, Design? Jung und frisch und ein wenig verspielt, könnte man sagen, und die Materialanmutung ist passabel – bis ungefähr Hüfthöhe. Darunter serviert man gnadenlos Hartplastik, das macht aber eh fast jeder Hersteller so.

Wer im Glashaus sitzt

Das Markenlogo auf dem Lenkrad ist übrigens der deutlichste Hinweis auf die Herkunft und Zugehörigkeit des Fahrzeugs, draußen erinnern noch Designzitate an die einstige Tridion-Sicherheitszelle, mit der vor 25 Jahren alles begann. Das riesige Mitteldisplay wurde bereits erwähnt, löblich das gestochen scharfe HUD (Head-up-Display), ein echtes nämlich, und das enorm große Panoramaglasdach schafft luftige Glashausatmosphäre, man möchte gleich Salat und Cocktailtomaten anpflanzen im #1.

Das Panoramaglasdach ist riesig und schafft luftige Atmosphäre.
Foto: Smart Europe GmbH

Das Kuppeldach erinnert frappant an den Mini Countryman, an dem sich der #1 bei den Abmessungen insgesamt erstaunlich genau orientiert, der Smart bietet allerdings einen längeren Radstand. Der Countryman steht nach 50 Kilometern saftlos still – da hat "mein" #1 Premium noch 390 km vor sich. Das liegt am Äpfel-mit-Birnen-Vergleich: Der gemeinte Mini ist ein Plug-in-Hybrid (und fährt bei leerer Batterie mit Verbrennungsmotor weiter), der Smart ein rein elektrisches Gerät, und damit noch rasch ein paar technische Ergänzungen.

Topmodell ist wie gehabt die Brabus-Version. Dessen Allradsystem setzt sich aus 115 kW vorn und 200 hinten zusammen.
Foto: Smart Europe GmbH

Der #1 wird mit nur einer Batterie angeboten, mit 66 kWh Kapazität, die maximale Ladeleistung liegt bei 150 kW. Die Versionen Pro+, Premium und Launch Edition sind Hecktriebler mit wie gesagt 200 kW, der Brabus mit dann vorn 115 und hinten 200 kW kommt auf üppige 315 (die Höchstgeschwindigkeit liegt bei jeweils 180 km/h, Anhängelast in allen Fällen: 1.600 kg, und die Wärmepumpe ist mit Ausnahme des Basismodells Serie), wobei in dem Fall hinten ein anderer E-Motor zum Einsatz kommt als bei den ersten dreien. Vermutlich, weil Brabus, schneller gewickelt. Und alle diese Permanentmagnet-Synchronmotoren kommen aus chinesischer Fertigung, die Batterie detto sowie das Infotainmentsystem mit dem listigen chinesischen Fuchs, der auf Sprachkommando bereitwillig gebratene Gänse sucht und alles Sonstige, das in der Wunderwelt der Nullen und Einsen zu finden sein mag.

Alter Fuchs: 3D-animiert, macht sich der schlaue Bursche bei Sprachkommandos auf die Suche nach dem Gewünschten.
Foto: Smart Europe GmbH

Solche Spielereien lieben die Chinesen, Bing Lai vom Produktmanagement demonstrierte bei der Pressekonferenz hinreißend das Konzept, und ja, der #1 ist ein waschechter Kommunist: Daimler brachte Smart 2019 in ein 50:50-Joint-Venture mit Großaktionär Geely ein, dies ist das erste Baby. Deutsch ist nur noch: das Design. Das mag manche zögern lassen bei der Kaufentscheidung, obwohl das Auto in sich rund und stimmig wirkt. Falls Sie das interessiert: Der Smart-Chefdesigner heißt Kai Siebert, er gestaltete zuletzt die X-Klasse, den glücklosen Mercedes-Ableger des Nissan Navara.

Die Studie Crosstown aus dem Jahr 2005 signalisierte Smarts Aufbruch ins SUV-Segment. Noch eine Nummer größer mit Platz für vier Insassen sollte es mit dem Formore in den US-Markt gehen. Dann kam die Beinahepleite der jungen, (zu) ambitionierten Marke.
Foto: Andreas Stockinger

Interessanterweise knüpft man fahrzeugkategorisch insofern an die eigene Historie an, als 2005 die Studie Crosstown andeutete, dass ein Smart-SUV die bereits recht ansehnliche Palette (Fortwo, inklusive Cabrio und puristischen Crossblades; Roadster und Roadster-Coupé, heute sehr begehrt; Forfour, nicht umzubringen) nach oben hin abrunden sollte. Sogar ein Viersitzer-SUV war im Gespräch, Arbeitstitel: Formore, mit dem war der US-Einstieg geplant. Dann kam die Beinahepleite, kam die Notbremse – und dieser Tage ein jüngster Neustart eben mit diesem SUV.

Der Eco Speedster nahm 1993 die Idee des Smart Fortwo vorweg, Ideengeber und Swatch-Gründer Nicolas G. Hayek dachte von Anfang an Elektroantrieb mit.
Foto: Smart

Wenn wir schon bei Rückblende sind. Die Kleinstwagenmarke von Mercedes hatte es von Beginn an schwer. Kluge Idee, aber zu teuer, zu früh, selbst als Elektromarke seit 2018 (sauteuer, miese Reichweiten). Die Idee geht bekanntlich auf Swatch-Gründer Nicolas G. Hayek zurück. Der pilgerte damit erst zu Volkswagen, dann "zum Daimler", und dort wurde aus der Studie Eco Speedster (1993) der Smart Fortwo. Schon damals zeichnete sich ja ab, dass man mit den Flottenverbräuchen bald runtermusste, da kam die neue Marke gerade recht.

Zeit noch nicht reif

Aus dem Elektroantrieb, von Hayek maßgeblich mitgedacht, wurde indes erst einmal nichts, durchaus nachvollziehbar beim damaligen Stand der Batterietechnik. Und wie so oft bei dieser Marke gilt: visionär, innovativ, aber zu früh. Wie die Wikinger und Kolumbus: Erst beim Genueser war die Zeit reif.

Smart Fortwo und das "2,5 mal 1,5 mal 1,5 Meter"-Format: Der damalige deutsche Kanzler Helmut Kohl nahm werbewirksam Platz, es knarzte vielleicht ein wenig, ging sich aber aus. Und was war das dann für ein bombastisches Spektakel bei der Pressepremiere in Barcelona vor Hunderten von Medienvertretern: Die Marketingleute hatten und führten das große Wort, man werde ganz neue Vertriebswege gehen – Sie erinnern sich vielleicht an die zahlreichen Smart-Türme? –, die Leute sollten die bunten Smarties quasi nebenbei beim Einkauf in der Shopping-Mall kaufen, bitte einpacken und große Schlaufe drauf, und schon geisterte auch das I-Wort herum: Das (damals noch blutjunge) Internet könne bald eine gewichtige Rolle spielen und dem klassischen Autohandel Konkurrenz machen. Zuletzt schwebten Tische von der Decke des einstigen Fabrik-Backsteinbaus herunter, die Stahlseile wurden ausgeklinkt, Stühle herangebracht, bitte Platz nehmen fürs Dinner und "buen provecho".

Symbolträchtige Adressen

Verglichen damit war der jetzige, der wie erwähnt dritte, Neustart in der Firmengeschichte eine geradezu intime Veranstaltung, als erste Gruppe waren die Deutschen und wir Österreicher geladen, bitte jeweils im Geiste ein "-innen" dazuergänzen. Aber mit Lissabon wurde insofern eine symbolträchtige Adresse gewählt, als im Reformationsjahr 1517 mit dem Portugiesen Fernão Pires de Andrade und seinem Gefolge die ersten Europäer im geheimnisumwitterten China (gut, gut: nach Marco Polo) ankamen und Handelskontakte sondierten. Heute, 505 Jahre später, sind diese auf einem ganz neuen Niveau angelangt, die Chinesen suchen von sich aus das weltweite Geschäft, ganz besonders auch mit EU-Europa.

Gebaut wird der #1 im Geely-Werk in Xian. Richtig, das ist die Stadt mit der Terrakotta-Armee im Mausoleum Qin Shihuangdis. Die wird auch noch die jüngste Smart-Episode überdauern, jede Wette.

Nach dem Neustart 2005 wurde Smart auf das Basismodell reduziert, die zweite Generation Fortwo von 2007 wuchs in der Länge von 2,5 auf 2,7 Meter.
Foto: Smart

Zurück zur Markenhistorie. Der erste Neustart nach der Milliarden-Miese 2005 reduzierte Smart auf den Fortwo, in zweiter Generation 2,7 Meter lang, teuer wie gehabt und immer noch mit der sequenziellen Ruckel-Halbautomatik. Für den zweiten holten sich die Deutschen die Franzosen ins Boot, die dritte Generation sollte gemeinsam mit Renault entwickelt werden.

Gemeinsam mit Renault (damals neuer Clio) wurde der Smart Forfour von 2014 entwickelt, die Kooperation machte die Franzosen nicht wirklich glücklich. Aber es gab endlich vernünftige Getriebe und Motoren (von Renault) in einem Smart.
Foto: Guiso Gluschitsch

Der Forfour wurde das auch, die Autos bekamen moderne Renault-Motoren und passende Getriebe, aber wieder verkaufte sich der Smart zäh, und der mit dem Forfour praktisch baugleiche Twingo machte wiederum Renault unglücklich, das Heckmotor-Konzept tat und tut der einstigen Kleinwagenikone nicht wirklich gut. Und jetzt sollen es also die Chinesen richten.

Die Chancen stehen auf den ersten Blick nicht schlecht, obwohl: Ein Schnäppchen ist der 4,27 m lange #1 trotz Fernost-Fertigung nicht gerade, der China-Bonus wird nicht sonderlich großzügig an die Kundinnen jedweden Geschlechts weitergegeben. Von den Abmessungen her matcht sich der neue Smart mit E-Mobilen wie Renault Mégane E-Tech (4,20 m), Hyundai Kona (4,21 m), VW ID.3 (4,26 m), MG4 Electric (4,29 m), Peugeot e-2008 (4,30 m) und Cupra Born (4,32 m).

China und Europa

Vorgesehen ist der #1 zunächst nur für China und Europa, welche anderen Märkte man sich erschließen wolle, sei noch offen, für die USA sei der 1er jedenfalls zu klein, so Tilo Schweers. Und die in Zeiten ewig langer Lieferfristen nicht unwichtige Frage nach der Verfügbarkeit, in Österreich nämlich? Sofern man keine besonders exotische Konfiguration wähle, sei man innerhalb weniger Wochen lieferfähig, erläuterte Smart-Austria-Geschäftsführerin Sarah Lamboj. Die weiters ausführte: Man könne den #1 sowohl online kaufen als auch im Handel oder sich für einen Mix aus beidem entscheiden – und das Thema Car-Sharing, das werde man auf eine ganz neue Stufe heben.

Wie es weitergeht mit der Marke Smart? Zügiger Ausbau der Modellpalette. Man überlegt sogar schon, ob und wie ein #Fortwo denkbar wäre, immerhin gilt es kostbaren Platz einzusparen in den Megacitys dieser Welt und Traditionen zu wahren. Jedenfalls dort, wo sie gewinnbringend einzusetzen sind. (Andreas Stockinger, 29.9.2022)