"Bruderschaft" trinken: Elena (M. Kaspar) und Sonja (I. Golda).

Foto: Anna Stöcher

Wien – In der auf bessere Zeiten wartenden russischen Provinz – die Rede ist vom ausgehenden 19. Jahrhundert – wiegen sich eine gar nicht so schlecht gestellte Gutsfamilie und ihr (angeheirateter) Anhang im eigenen Unglück. Nichts sei so, wie man es gerne hätte. Dafür etwas zu tun vermag man aber auch nicht. Lethargie wird in Anton Tschechows Tragikomödie Onkel Wanja (1896) nur noch von Jammer darüber getoppt.

TAG

Es ist kein geringes Vergnügen, mit diesen alten Trantüten Theaterzeit zu verbringen. Und auch die Slapstick-Inszenierung von Arturas Valudskis im Theater an der Gumpendorfer Straße (TAG) arbeitet sich mit subtilen Gags durch die Trägheitstragik dieser Leute. Der titelgebende Iwan (Georg Schubert), Verwalter des Gutes seiner verstorbenen Schwester, muss erkennen, dass alles bisher Gelebte falsch war: seinen von allen vergötterten, längst neu verheirateten Professoren-Schwager (Jens Claßen) hält er für einen undankbaren "emeritierten Giftzwerg"; dessen neue Gattin Elena (Michaela Kaspar) erweckt in ihm ohne Aussicht auf Erfolg ein Liebesgefühl, das er leider nie gefunden hat.

Medizin- und Cognacfläschchen

Und sein einziger Freund, der depressive Bezirksarzt Astrow (Andreas Gaida), entpuppt sich als sein Rivale. Die einzige Person mit Sinn und Verstand in diesem Gutskosmos ist Sonja (Ida Golda), Wanjas Nichte, die bei der Heuernte zupackt und nicht ständig wehklagt, weil sie nicht den Mann kriegt, den sie gerne hätte (Astrow, verflixt!).

In einer gekürzten und sprachlich gelegentlich zugespitzten eigenen Fassung lotst der Abend mit nichts als ein paar Objekten (Stühle, Tür, Medizin- und Cognacfläschchen) durch profunde Tristesse-Wochen. Man lehnt "herrliche traurige Herbstrosen" kopfüber ans Tischbein, man zeigt einander Briefmarken-große Gemälde, und gelegentlich hebt man einen bleischweren Pflasterstein vom Boden, um die noch verbliebenen Kräfte zu messen. Bis auf ein allzu zerdehntes Fade-out im letzten Drittel überzeugt dieser Abend mit sparsam dosiertem Theaterzauber. (Margarete Affenzeller, 3.10.2022)