Wien – Die Wahl ist geschlagen, der Bundespräsident gewählt. Wie geht es nun weiter? Das neu gewählte Staatsoberhaupt kann nicht ohne weiteres in die Hofburg spazieren und seinen Geschäften nachgehen. So wie Ministerinnen und Minister angelobt werden, wird auch der Bundespräsident in einem formalen Akt in sein Amt berufen.

Jedoch nicht in der Hofburg, sondern im Parlament. Dort tritt die Bundesversammlung zusammen, der Staatschef spricht seine Gelöbnisformel. Nach einer Antrittsrede gilt er offiziell als neuer Bundespräsident und ist für sechs Jahre im Amt. Er bezieht damit die Räumlichkeiten der Wiener Hofburg und stellt sich seinen umfassenden Aufgaben.

Alexander Van der Bellen bei seiner Angelobung als Bundespräsident vor der Bundesversammlung im Jänner 2017.
Foto: Heribert Corn

Dabei zählt die Regierungsbildung zu seinen wichtigsten Funktionen. Der Bundespräsident ernennt den Bundeskanzler und auf dessen Vorschlag die restlichen Ministerinnen und Minister. Formal wird dieser Akt mit der Angelobung abgeschlossen.

Ein Wort mitzureden hat der Präsident bei der Regierungsbildung allemal. Denn es steht ihm zu, einzelne Regierungsmitglieder einfach abzulehnen. Das gab es in der Vergangenheit bereits öfter: Der ehemalige Amtsinhaber Thomas Klestil lehnte im Jahr 2000 zwei FPÖ-Minister ab, er wollte sie nicht angeloben. Auch Alexander Van der Bellen hat sich im Jahr 2017 gegen zwei FPÖ-Politiker als Minister ausgesprochen.

Regierungen werden vom Präsidenten auch wieder entlassen. Dieses Prozedere wiederholt sich immer, sobald eine neue Regierung ihr Amt antritt. Aber auch bei einem Ministerwechsel in der Legislaturperiode findet eine Angelobung statt. Erfahrung mit diesem formalen Akt hat Alexander Van der Bellen ausreichend gesammelt: Seit 2017 musste er über 60-mal eine Ministerin oder einen Minister ernennen.

An Vorschläge gebunden

Meist ist der Bundespräsident in seinen Entscheidungen an die Bundesregierung gebunden. Die Verfassung sieht damit ein Wechselspiel der Gewalten vor. Das Parlament kann der Präsident etwa nur auf Vorschlag der Regierung entlassen, aus freier Entscheidung ist das nicht möglich. Einzelne Ministerinnen können ebenso nur auf Vorschlag des Bundeskanzlers entlassen werden. Im Jahr 2019 hat beispielsweise Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Entlassung vom damaligen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vorgeschlagen.

Entlassung der Regierung

Dem Präsidenten steht es laut Verfassung aber zu, jederzeit die Regierung ohne Begründung zu entlassen. Ganz willkürlich kann der Präsident aber dann doch nicht entscheiden. Die Entlassung der Regierung führt nicht automatisch zu Neuwahlen, diese müsste der Nationalrat beschließen. Eine neue Regierung müsste also ebenso eine Mehrheit im Parlament besitzen, sonst würde ein Misstrauensvotum die neue Regierung zu Fall bringen. Bisher gab es aber noch keinen Fall in der Zweiten Republik, in der die Regierung ohne Grund vom Präsidenten aufgelöst wurde.

Alexander Van der Bellen lobt im Frühjahr 2022 Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig an. Die Angelobung von Ministerinnen und Ministern zählt zu den Hauptaufgaben des Bundespräsidenten.
Foto: Heribert Corn

Gesetze unterschreiben

Neben der Regierungsbildung sind die Beurkundung von Staatsverträgen und das Unterschreiben von Gesetzen wichtige Kompetenzen des Staatschefs. Laut Verfassung muss der Präsident die Gesetze auf formale Kriterien prüfen und kann sie ablehnen, wenn sie diese nicht erfüllen. Eine Blockade eines Gesetzes aufgrund persönlicher Meinung ist nicht vorgesehen. Was allerdings als formaler Fehler in einem Gesetz gilt, ist offen. Hier könnte der Präsident frei argumentieren – und mutmaßlich ein Gesetz blockieren. In der Vergangenheit waren es aber ohnehin Ausnahmen: Unter anderem hatte Heinz Fischer ein Gesetz im Jahr 2008 abgelehnt. Fischer begründete die Ablehnung der Novelle zur Gewerbeordnung mit dem verfassungswidrigen Zustandekommen des Gesetzes.

Gesetze zu verordnen zählen nicht zur Kompetenz des Bundespräsidenten, außer in Ausnahmesituationen. Dann kommen sogenannte Notverordnungen ins Spiel. Sie kommen zum Einsatz, wenn das Parlament nicht zusammentreten kann, beispielsweise im Kriegsfall. Aber auch dann kann der Präsident nicht alleine regieren. Notverordnungen basieren immer auf Vorschlägen der Bundesregierung und dem Einvernehmen des Hauptausschusses des Nationalrats.

Amtsenthebung

In Stein gemeißelt ist die Amtszeit eines Präsidenten nicht: Er kann aus dem Amt enthoben werden. Dazu braucht es die Bundesversammlung, die eine Volksabstimmung über die Entlassung des Bundespräsidenten abhält. Stimmt die Bevölkerung dafür, so ist der Bundespräsident entlassen. Entscheiden sich die Bürgerinnen und Bürger aber für das Staatsoberhaupt, gilt der Nationalrat als entlassen – es muss neu gewählt werden. Bislang gab es diese politische Ausnahmesituation noch nicht.

Bundesheer und Ausland

Mit Amtsantritt ist der Bundespräsident auch der Oberbefehlshaber des Bundesheers. Die Befehlsgewalt über das Heer übt dennoch die Verteidigungsministerin aus. Diplomatische Fähigkeiten sind für den Präsidenten jedenfalls von Vorteil, denn laut der Verfassung vertritt er Österreich im Ausland. Auch ist es ihm möglich, Häftlinge zu begnadigen.

Sechs Jahre im Amt

Nach sechs Jahren Amtszeit muss schließlich erneut gewählt werden. Eine Amtsperiode des Staatschefs darf niemals diese Frist überschreiten. Ist es zeitlich nicht möglich, dass nach sechs Jahren ein neuer Präsident feststeht, müssen die drei Nationalratspräsidenten in der Zwischenzeit die Geschäfte übernehmen. Auch das war bereits öfter der Fall: Im Jahr 2016 musste Heinz Fischer bereits aus dem Amt ausscheiden, ein Nachfolger stand noch nicht fest. Die Wahl zog sich wegen der damaligen Wahlanfechtung fast acht Monate lang. (Max Stepan, 9.10.2022)