Das Beste am Kaninchen ist vielleicht seine handliche Größe. Es bietet die schöne Gelegenheit, all die wunderbaren Konsistenzen eines ganzen Säugetiers in nur einem Essen zu genießen, von den kräftigen Hinter- zu den bindegewebsreichen Vorderläufen, dem zugegeben kleinen, aber erfreulich geschmacksintensiven Kopf und Bauch zu den zarten Filets. Seine Leber und Nieren sind sowieso eine Delikatesse.

Der Geschmack des Fleisches ist dezent, einem milden Haushuhn ähnlich, minus Vogel, plus Säugetier. Zart süß, sanft herb. Er ist nicht außergewöhnlich toll, aber erfreulich – ein guter Hinweis darauf, dass wir viel mehr Nagetiere essen könnten – und erinnert mich regelmäßig daran, dass ich es immer noch nicht geschafft habe, Siebenschläfer und Eichhörnchen zu probieren. (1)

Nördlich der Alpen ist das Kaninchen heute ein unterschätztes Speisetier und gar nicht so einfach zu bekommen. Das war bis vor wenigen Jahrzehnten noch sehr anders. Das Kaninchen stammt ursprünglich aus Spanien und Nordafrika und wurde, wie so vieles Gutes, von den Römern in großen Teilen Europas verteilt. Weil es nicht nur gut schmeckt, sondern auch bescheiden ist und aus sehr wenig Futter sehr schnell relativ viel Fleisch macht, war es ein ziemlicher kulinarischer Erfolg.

Kaninchen in umido
Foto: Tobias Müller

Zarte Renaissance

Wie wichtig es einst war, zeigt sich daran, dass früher auch beim Kaninchen zwischen verschiedenen Altersklassen unterschieden wurde, zumindest auf Englisch: Als "rabbit" galten nur Tiere, die nicht älter als ein Jahr waren, danach wurden sie "coney" gehandelt, erklärt mir der Oxford Companion to Food. Ein ungeborenes oder neugeborenes Kaninchen wiederum wurde als "laurice" bezeichnet und war im späten Mittelalter ein wichtiges Speisetier, weil es nicht als Fleisch galt und damit an Fasttagen gegessen werden konnte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dem Kaninchen in Nordeuropa sein Ruf als Arme-Leute-Essen zum Verhängnis – weil zu viele Menschen zu lange Kaninchen essen mussten, wollte es jetzt keiner mehr tun. Während andere einstige Arme-Leute-Speisen wieder sehr schick geworden sind, gibt es bisher nur ganz zarte Anzeichen einer Kaninchenrenaissance. (2)

In Italien hingegen sind Kaninchen bei jedem Fleischer und in jedem Supermarkt zu bekommen, und wenn ich dort bin, dann sind sind sie fixer Teil unseres Speiseplans. (3) Geschlachtet werden sie dort meist, wenn sie etwas mehr als ein, maximal eineinhalb Kilo haben. Ich halte meinen Fleischer davon ab, das Tier für mich zu zerteilen (Süditaliener halten es gern mit den Chinesen und hauen kleinere Tiere bis hinauf zum Lamm einfach in mehr oder weniger mundgerechte Stücke, ungeachtet ihrer verschiedenen Cuts).

Ich teile mein Kaninchen hingegen lieber zumindest in drei verschiedene Kategorien ein: den Rücken, die Innereien (Leber und Nieren) und den Rest, also Vorder- und Hinterkeulen, Bauchlappen und Karkasse samt (gespaltenem) Kopf. Damit lassen sich je nach Appetit aus einem Kaninchen wunderbar zwei bis drei Essen für zwei machen.

Der Rücken wird schlicht heiß und kurz gebraten und mit reichlich Grünzeug als kleine Mahlzeit serviert. Den Rest bereite ich gerne "in umido" zu, wie der Süditaliener zu allem in Tomatensauce Geschmortem sagt. Die köstliche Leber und Nieren brate ich kurz, heiß und rosa als Belohnung, während ich auf den schmorenden Rest warte, oder ich fette damit das Rückenessen ein wenig auf.

Kaninchen in umido ist nicht blitzschnell fertig – es sollte mindestens eine gute Stunde im Rohr bleiben, um schön weich zu werden, und dann noch zumindest ein Glas Rotwein lang rasten. Die aktive Arbeitszeit in der Küche hält sich aber in sehr engen Grenzen. Und die reichliche, dicke Sauce, die dabei entsteht, reicht am nächsten Tag für eine wunderbare Kaninchenpasta, so Sie nicht alles auf einmal aufessen. Wenn Sie nur zu zweit sind, geht das mit einer Beilage und etwas Selbstbeherrschung relativ leicht.

Das Rezept funktioniert natürlich auch mit einem Huhn (am besten mit einem schon etwas älteren oder gar einem Hahn). Aber schon allein für die Freude an der Vielfalt, Abwechslung und den kleinen Unterschieden zahlt sich der gelegentliche Kaninchenkauf mehr als aus.

Kaninchen in umido und Kaninchenpasta

In-umido-Rezepte sind stets verzeihend und recht frei interpretierbar. Grob brauchen Sie hier:

  • die Vorder- und Hinterläufe und die Karkasse eines Kaninchens
  • 2–3 Knoblauchzehen
  • Rosmarin und Lorbeerblätter
  • etwas frische und/oder etwas Dosentomaten
  • Salz oder Fischsauce
  • Rotweinreste (optional)

Wenn ich Zeit und Lust habe, brate ich Hinter- und Vorderläufe und die Karkasse in einem großen Schmortopf an, bis sie auf allen Seiten eine schöne Farbe haben. Wenn ich es eilig habe oder faul bin, spare ich mir den Schritt.

Backrohr auf 180 Grad vorheizen.

Die Teile aus dem Topf heben und im gleichen Topf ein paar zerquetschte Knoblauchzehen und eventuell etwas Chili braten. Etwaige Rotweinreste, ein paar Tomaten und/oder maximal die Hälfte einer Tomatendose dazukippen und damit eventuelle Bratenrückstände vom Boden lösen. Nicht übertreiben mit den Tomaten, das Endergebnis soll nicht zu suppig werden. Ein, zwei Zweige Rosmarin und Lorbeerblätter nachwerfen und aufkochen lassen.

Die Kaninchenteile hineinlegen, Knochen und Bauchlappen inklusive. Ich lege meist den gespaltenen Kopf und die Karkasse nach unten und die Beine und Bauchdecken obenauf. Gut salzen und eventuell einen Schuss Fischsauce nachgießen. Den Deckel drauf, ab ins Rohr, eine Stunde garen, bis das Karnickel herrlich weich ist, dann noch einmal mindestens 15 Minuten im Topf rasten lassen. Inzwischen Leber und Nieren in einer Pfanne scharf anbraten und genießen. Karnickeleintopf mit gutem Weißbrot und simplem Rotwein servieren.

Am nächsten Tag etwaige Fleischreste von den Knochen lösen, auch von der Karkasse. Fans knabbern den köstlichen Kopf noch schnell ab. Nochmals aufkochen lassen, im Topf und in der Sauce dicke Pasta schwenken und eine weitere Kaninchenmahlzeit genießen. (Tobias Müller, 10.10.2022)

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(1) Gemästete Siebenschläfer waren im antiken Rom eine Delikatesse, werden heute aber, soweit ich weiß, nur mehr in Teilen des Balkans gegessen. Das jährliche Siebenschläferfestival auf Brač habe ich heuer leider wieder einmal verpasst.

(2) Hier zum Beispiel gibt es artgerecht gehaltene Kaninchen, was gar nicht so leicht ist, und dieser Züchter hier hat auf Vorbestellung auch welche im Angebot und verkauft sie in Wien auf dem kleinen donnerstäglichen Gumpendorfer Markt. Und Spezialitäten Schneider hat fast immer italienische Kaninchen parat. Ich freue mich über weitere sachdienliche Hinweise.

(3) Das letzte bisschen unnützes Kaninchenwissen: Die Italiener sind zwar die größten Kaninchenzüchter der Welt, mit Abstand am meisten Kaninchen essen aber die Maltesen. Acht Kilo pro Kopf und Jahr, sagt der Oxford Companion to Food – das ist ungefähr so viel Fisch, wie der Österreicher isst.