Die in Berlin lebende libanesische Künstlerin Rima Najdi zeigt die immersive Performance "I Grew an Alien Inside of Me".

Foto: Maria Kassab

Ein Störgeräusch verursacht Aufmerksamkeit, kann aber auch irritieren oder ablenken. Daher heißt ein Festival zum Saisonbeginn des Tanzquartier Wien (TQW) auch so, und zwar auf Arabisch: Tashweesh. Der lautmalerische Begriff, hier im Sinn eines Hintergrundrauschens zu verstehen, kommt offenbar aus der unter anderem in Pakistan und Indien gebräuchlichen Sprache Urdu und bedeutet da Unruhe, Ärger oder Sorge.

Ein größeres, vom deutschen Goethe-Institut ermöglichtes und kuratiertes feministisches Festival dieses Namens gab es bereits 2018 in Brüssel und dann in Kairo. Die Nachfolge-Version kommt nun von Tunis über Brüssel nach Wien und ist jetzt dort an zwei Wochenenden als von Libanesin Tania El Khoury und die Tunesierin Bochra Triki gestaltetes, genreübergreifendes Programm zu sehen.

Inwendiges Alien

Am ersten Wochenende bis Sonntag zeigen Salma Said und Miriam Coretta Schulte ihr Stück "Behind Your Eyeballs" und die in Berlin lebende libanesische Künstlerin Rima Najdi die immersive Performance "I Grew an Alien Inside of Me". Außerdem gibt es mit Tashweesh Cinema ein Filmprogramm mit vor allem arabischen Arbeiten und – schon zum Einstand am heutigen Freitag – eine Lecture der prominenten Dekolonisations-Theoretikerin Nikita Dhawan: "What Difference Does Difference Make?"

Das Wochenende Nummer zwei bietet unter anderem das Tanzstück "Tarab" der Iranerin Ulduz Ahmadzadeh und die Performance "The tongue tracing the hand tracing the earth" der Palästinenserin Mirna Bamieh nebst einer Ausstellung (Nour Shantout, Rana Feghali sowie Randa Mirza mit Lara Tabet) und knackigen Tashweesh Sounds von Lucia Kagramanyan, Liliane Chlela, Lafawndah, Tony Renaissance und DJ Diamond.

Wissensproduktion

Triki und El Khouri favorisieren laut eigenen Angaben Kunstwerke, "die nicht nur gegen etwas protestieren, sondern auch alternative Lösungen und Formen der Wissensproduktion bieten". Der Ausdruck "Wissensproduktion" hat sich vor rund 20 Jahren im Zusammenhang mit Tanz und Performance etabliert. Er steht für eine Art des Kunstmachens, die den etablierten Wissenskanon erweitern soll.

Die Kuratorinnen verstehen ihr Festival als Umsetzung einer, wie El Khoury in einem Interview sagt, "alternativen oder unkonventionellen Pädagogik". Sie wollen"langfristige und forschungsbasierte Arbeiten" präsentieren, "die aus der sozialen Praxis heraus entwickelt wurden". (Helmut Ploebst, 7.10.2022)