China verhinderte am Donnerstag eine Debatte über mögliche Menschenrechtsverletzungen im UN-Menschenrechtsrat.

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"Eine Debatte über mögliche Menschenrechtsverletzungen" ist angesichts der Gräuel, die in der chinesischen Region Xinjiang geschehen, schon ein Euphemismus für sich. Aber nicht einmal dazu ist es gekommen. Am Donnerstag lehnte der UN-Menschenrechtsrat einen ebensolchen Vorschlag ab. Insgesamt kam es zu 19 Neinstimmen, elf Enthaltungen und 17 Jastimmen. Zu den Gegnern einer Debatte zählen traditionelle Verbündete Chinas wie Venezuela oder Eritrea.

Überraschend aber war für viele Beobachter, dass neben Kasachstan und Usbekistan auch zahlreiche muslimische Staaten wie Katar und Indonesien mit Nein stimmten. Dies wiederum sei auf den Einfluss Pakistans zurückzuführen, eines engen Verbündeten Pekings. Der Präsident des Uigurischen Weltkongresses, Dolkun Isa, sprach nach der Abstimmung deswegen von einer "Katastrophe". Auch das deutsche Auswärtige Amt nannte es "einen schwarzen Tag für die Menschenrechte".

Geld und Investitionen

China hatte seit Wochen gegen eine solche Debatte Stimmung gemacht. Chinesische Delegationen sollen auch vor der Abstimmung gezielt die Vertretungen von Mitgliedsländern besucht haben, um für Neinstimmen zu werben. Was Peking den Staaten für eine Unterstützung seines Narrativs bietet, ist nicht bekannt. Im Hintergrund aber dürfte es um Geld und Investitionen gehen.

Peking bestreitet schlicht jegliche Menschenrechtsverletzungen in der Region. Dabei ist längst gut durch Regierungsdokumente, Berichte von Überlebenden und Analysen von Satellitenaufnahmen erwiesen, was in Xinjiang vor sich geht. Seit etwa 2014 interniert die Regierung Millionen Uigurinnen und Uiguren in "Umerziehungslagern". Die Menschen sind dort monatelang Folter und Gehirnwäsche ausgesetzt. Rund zwei Millionen Menschen dürften die Lager bisher durchlaufen haben. Wer herauskommt, findet sich meist in einer digitalen Dystopie wieder, in der er auf Schritt und Tritt überwacht wird.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Ende August hatte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michele Bachelet, doch noch am letzten Tag ihrer Amtszeit den Bericht über die Lage der Uiguren in Xinjiang veröffentlicht. Der lang erwartete Report sprach von "glaubwürdigen Beweisen" für schwere Menschenrechtsverletzungen gegen Uiguren und andere Minderheiten. Dabei war der Bericht in Form und Sprache noch eher lasch. Menschenrechtsgruppen und Exilorganisationen wie der Weltkongress der Uiguren kritisierten dies. Es gebe Muster von Misshandlungen und sexuelle Gewalt, heißt es darin. "Das Ausmaß der willkürlichen und diskriminierenden Inhaftierung von Angehörigen der Uiguren und anderen überwiegend muslimischen Gruppen (...) könnte internationale Verbrechen, insbesondere Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darstellen", heißt es wörtlich.

Auch diesen Bericht hatte Peking zu verhindern versucht. Dass Bachelet damit bis zum letzten Tag ihrer Amtszeit wartete, zeigte auch, wie groß der Druck Pekings mittlerweile ist. All dies untergräbt auch die Glaubwürdigkeit und Wirkmächtigkeit des Gremiums.

Derzeit leiden die Menschen in der zum Teil von muslimischen Uiguren bewohnten Provinz zusätzlich unter den besonders harschen Lockdowns. Immer wieder gelangen Berichte von Menschen an die Öffentlichkeit, die seit mehreren Tagen eingesperrt und ohne Nahrung sind. (Philipp Mattheis, 7.10.2022)