Andalusien ist Kärnten, die Bühne eine Filmleinwand: Alia Luques "Yerma" vertraut am Klagenfurter Stadttheater zu stark auf die Bildmacht des Films von Sophie Lux, die Affekte bleiben unklar.

Foto: Fabian Stransky

Federico García Lorcas andalusischer Bauer Juan heißt in der Neufassung der tragischen Dichtung Yerma am Klagenfurter Stadttheater einfach Hans. Wie ein Kärntner Bauer. Der Olivenhain des Juan ist eine Kuhweide im Lavanttal. Die ist in filmisch belebter Breitwandfassung präsenter als die schwarz gekleideten Randfiguren im Schatten, die zu ihren Dialogtexten jeweils einen Schritt aus der Reihe vortreten. Yerma auf der rechten Bühnenseite alleine, alle anderen gute zehn Meter vis-à-vis.

So hat die kinderlose, unerfüllte Heldin alle gegen sich. Nur auf der Leinwand, zu der das Bühnenbild hier geworden ist, bewegt sie sich frei. Hier kann sie nach eineinhalb Stunden ihren Ehemann in einer qualvolle Minuten langen Filmszene auch endlich erwürgen.

Kärntner Andalusien

Es stimmt schon, dass es trotz aller kulturellen und klimatischen Unterschiede vor allem in Bezug auf die gesellschaftliche Stellung der Frau manche Ähnlichkeit zwischen Andalusien und Kärnten gibt. Zahllose Familientragödien, die sich hier zugetragen haben, ähneln dem Werdegang der Ehe zwischen Yerma und Juan.

Passend dazu zeigen die Filmeinstellungen auf der Bühne wunderschöne Hügellandschaften unter oft bedrohlichen Wolkenzügen, auf denen die handelnden Personen als stumme Doppelgänger der physisch anwesenden Darsteller eine bedrückende, unheilträchtige Atmosphäre verbreiten. Zu Recht werden im Programmheft Dorftexte von Autoren wie Andrej Kokot und Florjan Lipus zitiert.

Panorama in Heimatfilmmanier

Das Problem ist nur, dass man, wenn man ins Theater geht, irgendwie doch auf einen Theaterabend eingestellt ist. Die Klagenfurter Yerma von Regisseur Alia Luque ist ein Film von Sophie Lux. Ein Film mit live dazu gesprochenen Dialogen. Es gibt keine Requisite, nichts von Lorcas Bildhaftigkeit, die Darsteller kommen nicht ins Spielen, was ihnen übrigens das Memorieren des Textes hörbar erschwert. Silja Bächlis Protagonistin hat es noch am leichtesten, der auf der Stelle tretenden Yerma Ausdruck zu verleihen – sie darf dem Unverständnis ihrer Umwelt wenigstens einmal schreiend begegnen. Sonst lässt sich die achselzuckende Hilflosigkeit von Andreas Pattons Juan allenfalls noch als ehemännliche Gleichgültigkeit auslegen und das widerliche Dauerlächeln von Florentin Grolls Hexe als Kennzeichen aller, die sich die Vermittlung des Überirdischen zum Geschäft machen.

Sophie Lux hat in Heimatfilmmanier im besten Sinn die Gegend zwischen Feldkirchen, Griffen und dem Lavanttal mithilfe der Kamera zu einer zutiefst eindrucksvollen Kulisse arrangiert. Aber das Panorama ersetzt das Theater nicht.

Das Publikum ist, wenn sich Yerma in Sichtweite der Kirche zur Mörderin macht, emotional noch nicht an den Punkt gebracht, an dem ihr Affekt begreiflich wäre. Schon bei der Premiere war deshalb da die Toleranzgrenze bei manchen der sehr wohlwollenden Besucherinnen und Besucher erreicht. (Michael Cerha, 7.10.2022)