Mitten in einer Topinambur-Blüte saß die Wanze. (Belichtungszeit 1/500 Sek., Blende f/10, Lichtempfindlichkeit ISO 1100, Brennweite 105 mm Makro am APS-C-Sensor entspricht 157,5 mm umgerechnet aufs Kleinbildformat)

Foto: Michael Simoner

Woran denken Sie bei Wanzen? An Bettwanzen, Stinkwanzen oder an Abhörgeräte, stimmt's? Tja, Wanzen haben es echt nicht leicht. Auf einer Skala der beliebtesten Insekten würden sie vermutlich ziemlich weit hinten rangieren, irgendwo in der Gegend des Gemeinen Ohrwurms und der Filzlaus. Dabei geben sich die Wanzen, die unsere Gärten bevölkern, große Mühe mit tollen Musterungen und originellen Farben.

Auf einer Topinambur-Blüte

40.000 Wanzenarten gibt es weltweit, 920 davon wurden bisher in Österreich registriert. Auf eine davon möchte ich diesmal die geschätzte Aufmerksamkeit lenken. Vor ein paar Tagen entdeckte ich im Garten auf einer der Topinambur-Pflanzen, die gerade mit leuchtend gelben Blüten den Herbst erhellen, einen hübschen Käfer, wie ich dachte. Eher rundlich, mit bräunlichen bis violetten Schattierungen und geometrischen Mustern. Nach Konsultierung meines Insektenführers war klar, dass es sich um eine Wanze, genauer um eine Nymphe handeln musste, also eine Wanze im Jugendalter.

Keine Verpuppung

Wanzen (Heteroptera) lassen im Gegensatz zu vielen Insekten wie Käfern und Schmetterlingen in ihrer Entwicklung das Puppenstadium aus. Aus dem Ei schlüpft eine winzige Larve, die sich meistens fünfmal häutet und dabei immer größer und der erwachsenen Wanze (Imago) immer ähnlicher wird. Und tatsächlich: Als ich einen Tag später wieder beim Topinambur vorbeikam, saß da ein scheinbar anderes Geschöpf in der Blüte. Die Wanze hatte sich gerade gehäutet und war jetzt rosafarben und kontrastlos, Reste der alten Hülle lagen sogar noch daneben – irgendwie bizarr.

Angestochene Beeren ungenießbar

Ein paar Stunden später war die Wanze nicht mehr babyrosa sondern zeigte bereits eine fortgeschrittene Körperbemalung – der Prozess erinnerte mich an ein Polaroid-Foto, das sich vor unseren Augen langsam entwickelt. Leider konnte ich den weiteren Verlauf nicht mehr verfolgen, aber ich glaube, dass es sich um eine Beerenwanze (Dolycoris baccarum) handelte. Diese wunderschönen Baumwanzen können pro Jahr zwei Generationen hervorbringen und sind recht häufig. Wenn ich im Sommer eine Brombeere oder eine Himbeere erwische, die grauslich schmeckt, weiß ich, dass hier schon eine Beerenwanze gesaugt hat.

Die Wanze im Topinambur war jedenfalls relativ spät dran, sollte sie vorhaben, noch einmal aus der Haut zu fahren, müsste sie das tun, bevor die Nächte frostig werden. (Michael Simoner, 12.10.2022)

Es handelt sich um eine Nymphe, also eine Wanze, die sich noch im Entwicklungsstadium befindet. (1/500 Sek., f8, ISO 900, 105 mm Makro, APS-C)
Foto: Michael Simoner
Die Wanze hat sich gerade gehäutet. Bei näherem Hinsehen kann man links daneben die Reste der alten Hülle erkennen. (1/640 Sek., f6.3, ISO 110, 105 mm Makro, APS-C)
Foto: Michael Simoner
Zwei, drei Stunden später war die frisch gehäutete Wanze schon farbintensiver. (1/250 Sek., f5.6, ISO 400, 105 mm Makro, Makroblitz, APS-C),
Foto: Michael Simoner
Und so sieht eine fertige, erwachsene Beerenwanze aus. (1/250 Sek., f5, ISO 450, 105 mm Makro, Vollformat-Sensor)
Foto: Michael Simoner