Ein "Stück für alle Generationen" will "Mehr als alles auf der Welt" sein, das geht sich nicht ganz aus.

Foto: Susanne Hassler-Smith

Kim ist 13 und sie und ihr jüngerer Bruder Davey haben ihren "Dad" schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Er sei auf geheimer Mission, schreibt er ihnen in Briefen. Die Kinder leben derweil in finanziell angespannten Verhältnissen in einer tristen englischen Gegend. Wo er tatsächlich ist? Im Gefängnis.

Das Kinderstück diesmal im Akademietheater statt wie sonst im Kasino? Nein, nicht "Kinderstück", sondern "Stück für alle Generationen" war der Wunsch des Burgtheaters an die britische Gruppe 1927. Die hat daraufhin "Mehr als alles auf der Welt" erfunden, "für alle von 8 bis 108".

Detailreiche, aufwendige Videoanimationen im Zeichentrickstil, die man richtig gerne anschaut, gehen mit den Schauspielern auf der Bühne Hand in Hand. Sie nehmen mit in einen Waggon eines Zirkuszugs, in dem ein sprechender Löwe reist. In den Bauch eines Wals, in dem Piraten in Bikinis (super Kostüme!) hausen.

Das sind die Stationen der Mission, von der der Vater (Markus Meyer) seinen Kindern berichtet. Die Schulkantine inklusive einer Mitschülerin, die zu viel "Der Pate" geschaut hat und jetzt auf Mafiaspross macht (Andrea Wenzl, zum Brüllen), ein Radrennen oder die Küche des schiefen Häuschens sind die Welt der Kinder (Isabella Knöll). "Mom" (Alexandra Henkel) versucht liebe- und fantasievoll ihr Bestes, sie keinen Kummer spüren zu lassen. Eine garstige Nachbarin und deren garstige Enkelin bringen die gutgemeinte Lüge ins Wanken. Stefanie Dvorak ist eine falsche "Freundin".

Zauber für Jung und Alt

Es wird gesungen, Markus Meyer tanzt, die Animationen und Darsteller funktionieren miteinander wie geschmiert. Präzisionsarbeit! Es gibt heitere und nachdenkliche Momente, die Szenen sind flott, knackig und pointiert. Warum die für Wien gemachte Uraufführung mit englischen Namen in England spielen muss und nicht irgendwo in Österreich? Geschenkt. Unübersehbar und toll ist: Da steckt viel Arbeit drin.

Tatsächlich hielt sich bei der Premiere die Zahl der älteren Semester ohne Kinderbegleitung aber in Grenzen. Zurecht. Die Inszenierung von Mozarts "Zauberflöte" der Gruppe an der Komischen Oper Berlin wird vom Burgtheater als Referenz für die Arbeit von 1927 angeführt. Ob das Burgtheater sich bei Auftragserteilung unter dem Wunsch nach breitem Publikum, Zauber für Jung und Alt, aber dieses Ergebnis vorgestellt hat? Eher nicht.

Nicht beabsichtigt

Es war so wohl wirklich nicht beabsichtigt. Um das Stück für erwachsenes, kinderloses Publikum interessant zu machen, fehlt ihm eine die Kinderwelt komplementierende Handlungs- und Reflexionsebene. Es hat keine erwachsenen Zuschauern angemessene Perspektive. Für reguläre Akademietheaterticketpreise ist das zu wenig. Es tut einem aber leid um die verpasste Gelegenheit, 1927 mit einer ausgewachsenen Arbeit kennenzulernen. (Michael Wurmitzer, 9.10.2022)