Alexander Van der Bellen hat sich in diesem Wahlkampf nicht von seiner allerbesten Seite gezeigt. Er hat sich als mürrischer alter Mann präsentiert, der schon den Anflug von Kritik als Zumutung empfindet. Das mag mit ein Grund dafür sein, warum der Funke der Begeisterung nicht übergesprungen ist und die Bewegung zu seiner Wiederwahl eher verhalten lief. Ein bisschen Heimat, ein bisschen Staatsmann, kein inhaltliches Thema, und ja nicht offiziell an den Grünen anstreifen, die im Hintergrund seinen Wahlkampf am Laufen hielten. Am Ende hat es gereicht, um der Stichwahl zu entgehen. 56 Prozent sind für einen Amtsinhaber kein Wert, auf den man besonders stolz sein könnte, aber danach fragt übermorgen kein Mensch mehr.

Jubel über die Wiederwahl. Alexander Van der Bellen hat die Besonnenheit und die analytische Beurteilungsgabe, die man von einem Bundespräsidenten erwarten sollte.
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Der Wahlkampf an sich war der Würde des Amtes nicht zuträglich. Im Gegenteil: Die Herausforderer hatten sich redlich bemüht, das Amt zu beschädigen. Da gab es eine Reihe ausgesprochen dümmlicher Aussagen und Festlegungen. Die Radikalität, die im Kampf um die öffentliche Aufmerksamkeit zutage getreten ist, ließ einen zuweilen ratlos oder sogar eingeschüchtert zurück. Dass ein Teil der Kandidaten die Bundesregierung auf der Stelle davonjagen würde, sollten sie Gelegenheit dazu bekommen, spiegelt den Frust und die Verunsicherung vieler Menschen wider, ist aber ein zutiefst gefährlicher und undemokratischer Vorsatz.

Jetzt haben wir eine Person in der Hofburg, der man diesbezüglich vertrauen kann: Van der Bellen ist nicht nur ein erfahrener Politiker, er hat auch die Besonnenheit und die analytische Beurteilungsgabe, die man von einem Bundespräsidenten erwarten sollte. Aber allein die Möglichkeit, dass der aufwallende Volkszorn einen Radikalinski in die Hofburg katapultieren könnte, sollte Anlass genug sein, über die Befugnisse des Bundespräsidenten zumindest zu diskutieren und nachzudenken, ob die sehr weitreichenden Möglichkeiten tatsächlich so gewollt und angebracht sind.

Feindseligkeit

Das an sich magere Ergebnis für den Amtsinhaber zeigt auch, dass es Van der Bellen nicht gelungen ist, ein Präsident für alle in Österreich lebenden Menschen zu sein, so wie er das angekündigt und wohl auch gehofft hatte. Das liegt allerdings weniger an seiner Amtsführung als an der Vehemenz und Unerbittlichkeit, mit der die Auseinandersetzungen um die Corona-Maßnahmen geführt wurden. Diese Feindseligkeit zeigte sich auch in diesem Wahlkampf, und Gerald Grosz war in seiner Schärfe der bessere freiheitliche Kandidat, auch wenn Walter Rosenkranz schaler Zweiter wurde.

Es wird dauern, diese Kluft in der Gesellschaft wieder ein wenig zu schließen. Das ist bei weitem nicht allein die Verantwortung des Bundespräsidenten, das ist Aufgabe der Bundesregierung und eine Herausforderung, der wir Bürgerinnen und Bürger uns gemeinsam stellen müssen. Dazu gehört als Minimalausstattung ein Hauch von gutem Willen und Toleranz gegenüber Andersdenkenden, so schwer das manchmal sein mag.

Deutlich wurde in diesem Wahlkampf auch, dass es nicht nur rechts von Van der Bellen ausreichend Platz gibt, no na, sondern auch links. Der relative Erfolg von Dominik Wlazny zeigt das Bedürfnis nach einer jungen, frischen und unkonventionelleren Bewegung abseits von Grünen und SPÖ (und KPÖ). Das könnte spannend und gerade für diese Parteien noch recht kompliziert werden. (Michael Völker, 9.10.2022)