Über einen Wiener Exzentriker weiß die Historikerin Friederike Kraus im Gastblog zu berichten.

Eine Bundespräsidentenwahl ist geschlagen. So viele Kandidaten wie noch nie stellten sich der Wahl und stellten ihr Wahlprogramm vor, das manches Mal in den Bereich der Skurrilität eingeordnet werden muss. Das weckt Erinnerungen an einen Mann, der 1931 politische Ambitionen verspürte und ankündigte, bei der anstehenden Wahl für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren zu wollen: Ernst Winkler, bekannt als "Goldfüllfederkönig".

Nach der Novelle von 1929 des Bundes-Verfassungsgesetzes sollte 1931 der Bundespräsident das erste Mal durch eine Direktwahl gewählt werden. Für eine Kandidatur waren 2.000 Unterschriften nötig, die Winkler aufgrund seines Bekanntheitsgrades sicher erreicht hätte. Er gab sein obskures Programm vorab bekannt: Die Monarchisten würden einen König bekommen – den Goldfüllfederkönig; den Sozialisten dagegen versprach er die volle Durchführung ihres "Linzer Programms". Die Bauern könnten auf eine saftige Notstandshilfe hoffen, die bäuerlichen Arbeiter dagegen auf eine Konfiskation des Grundbesitzes ihrer Dienstgeber. Das Gehalt der Beamten würde verdreifacht, der Urlaubsanspruch auf neun Monate hinaufgesetzt werden und auch die Arbeitslosen könnten auf eine Erhöhung ihrer Unterstützung zählen, die nur gestrichen werden sollte, wenn sie Arbeitswillen zeigten.

Geltungsbedürfnis mit Werbeeffekt

Winkler war ein stadtbekannter Exzentriker, der ein Goldfüllfedergeschäft auf dem Wiener Kohlmarkt betrieb. Er ersann "Mystifikationen", wie er es nannte – als "blödsinnige Streiche" bezeichneten es andere –, und erreichte dadurch, dass alle Zeitungen Wiens andauernd über ihn berichteten und somit wunderbare Werbung für ihn machten.

Sein Geltungsbedürfnis brachte ihn dazu, sich bei aufsehenerregenden Mordfällen und anderen Straftaten der Mittäter- oder zumindest Mitwisserschaft zu bezichtigen, was ihn immer wieder mit Polizei und Gericht in Konflikt brachte. Wirklich bekannt wurde er jedoch durch eine politische Aktion. Nach dem Justizpalastbrand 1927 sorgte die Vorgangsweise der Exekutive für erregte Kontroversen in der Bevölkerung, Polizeipräsident Johann Schober war heftigen Attacken ausgesetzt. Einer der erbittertsten Gegner Schobers, Karl Kraus, ließ im September 1927 an Litfaßsäulen Plakate mit dem Text "An den Polizeipräsidenten von Wien Johann Schober. Ich fordere Sie auf, abzutreten. Karl Kraus Herausgeber der Fackel" affichieren. Bald darauf erschienen Plakate mit dem Inhalt "An den Polizeipräsidenten von Wien Johann Schober. Ich fordere Sie auf, nicht abzutreten. Gegeben zu Wien, am 22. September 1927 Goldfüllfederkönig E.W."

Der Werbeeffekt war groß. Sein Geschäft blühte, er eröffnete ein weiteres, repräsentativeres Lokal am Hohen Markt 5. In den Auslagen seiner Geschäfte stellte er Zeitungsartikel, die von seinen Streichen berichteten, aus. Und deren gab es viele, die aber selten, und wenn, nur milde geahndet wurden. Es wurde gemunkelt, dass Polizeipräsident Schober seine schützende Hand über ihn hielt.

Über den Goldfüllfederkönig und seine "Streiche" wurde auch in Zeitungen berichtet.
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In der Nähe des Husarentempels auf dem Anninger, einem Berg in der Nähe von Mödling bei Wien, wurde 1928 ein kleiner Koffer gefunden. Darin war eine Visitenkarte mit dem Aufdruck "Graf Henckel Freiherr von Donnersmarck, Fideikommißherr auf Beuthen", auf deren Rückseite die Mitteilung, dass dieser sich irgendwo im Wald umgebracht habe. Dem Finder der Leiche wurde eine Belohnung von 100.000 Goldmark versprochen. Heerscharen von Menschen, die sich diesen Betrag verdienen wollten, machten sich ebenso wie die Polizei auf die Suche nach einer Leiche. Eine solche gab es nicht, die Polizei erinnerte sich aber des Kaufmannes Ernst Winkler, der schon des Öfteren mit Ankündigungen ähnlicher Art an die Öffentlichkeit getreten war und der ohne weiteres zugab, für diese Aktion verantwortlich zu sein. Schon 17 Jahre vorher hatte er den Titel des Grafen von Donnersmarck verwendet, um in einem Juweliergeschäft in Dresden einen seiner Streiche anzubringen, und war wegen schwerer Urkundenfälschung zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt worden.

Irreführung der Behörden

Offensichtlich machte ihm die Vortäuschung von Suiziden besonderen Spaß. Dazu warb er junge Frauen unter dem Vorwand eines Filmengagements an und veranlasste sie zur Abfassung von Abschiedsbriefen. Sie verschwanden dann für einige Tage, doch stellte sich am Ende heraus, dass der Goldfüllfederkönig wieder einmal zugeschlagen hatte. Ebenfalls im Jahr 1928 drohte er mit einem Attentat bei der Opernredoute, was ihm für kurze Zeit einen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik einbrachte. Nun begann er, seine Aktivitäten nach Deutschland zu erweitern.

1929, auch in der Weimarer Republik eine politisch sehr aufgeheizte Zeit, wurde dort eine Reihe von Bombenanschlägen verübt. Im Herbst bezog ein Mann in einem Hotel am Königssee ein Zimmer und hinterließ dort einen Überrock und, auf Briefpapier mit Krone, ein Geständnis, dass er die Bombenanschläge finanziert habe. Dann mietete er ein Boot und ruderte auf den See hinaus. Das Boot wurde später – bis auf Hut, Stock und Schlüsselbund – leer auf dem Wasser treibend, im Hotelzimmer wurde der Brief gefunden. Sehr bald stellte sich allerdings heraus, dass der Brief mit einer Füllfeder geschrieben und der Unbekannte der Goldfüllfederkönig war. Gegen ihn wurde ein Strafverfahren wegen Irreführung der Behörden eingeleitet, er wurde aber nur zu 100 Schilling Geldstrafe wegen "Lügenhaftigkeit" verurteilt.

Am 1. Jänner 1933 fand die Polizei eine vermeintliche Höllenmaschine, also eine Bombe mit Zeitzünder, vor dem Postsparkassengebäude in Wien. Bei deren Bergung stellte sich heraus, dass das Päckchen mit Silvesterglücksbringern und einem Wecker gefüllt war, Winkler stellte sich selbst der Polizei. Dieses Mal wurde er zu zwei Wochen Arrest verurteilt. Und im Jahr 1934 inszenierte er in Berlin wieder einen fingierten Selbstmord. Er trug sich als Baron Jaroslav von Zumpferl – einen Mann dieses Namens gab es tatsächlich – in das Meldebuch eines großen Hotels ein, bestellte Juweliere, um Brillanten vorgelegt zu bekommen, verließ aber das Hotel vor deren Erscheinen unter Zurücklassung seiner Koffer – die ohnehin leer waren – und einer halb geleerten Flasche Gift. Die Polizei war nun schon gewitzter, nach einer kurzen Untersuchung fiel der Verdacht auf Winkler, der in Wien arretiert wurde.

Er war von seiner Anziehungskraft auf die Massen, auch in Deutschland, fest überzeugt:

"Wenn ich heute nach Deutschland komme, so komme ich als ein berühmter Mann hin. Hitler, der ein österreichischer Tapezierergehilfe war, wird jetzt in Deutschland wie ein Gott verehrt, aber mit dem Goldfüllfederkönig Winkler kann sich ein Hitler nicht messen."

Prozess mit vielen Schaulustigen

Neben all diesen Unternehmungen hatte der Mann auch noch Zeit, sein Geschäft und mit der ebenfalls stadtbekannten Gräfin Triangi einen Prozess zu führen. Eine Zeitung hatte nämlich vorgeschlagen, dass der Goldfüllfederkönig und Triangi heiraten sollten, woraufhin diese ausrief "Lieber lasse ich mich von Matuska mit Ekrasit in die Luft sprengen, von Laudenbach tranchieren und von Zadrazil erschießen, bevor ich den Goldfüllfederkönig heirate!" Da es sich bei diesen Personen um verurteilte Mörder handelte, fühlte sich der Goldfüllfederkönig in seiner Ehre beleidigt und klagte. Die Gräfin reichte eine Gegenklage ein, weil Winkler sie der strafbaren Handlung der Ehrenbeleidigung bezichtigt hatte. Der Prozess der beiden Exzentriker war so sensationsträchtig, dass schon Stunden zuvor der Verhandlungssaal von wartenden Zuschauern belagert war. Gegen Beginn der Verhandlung war die Menge so angewachsen, dass das Gerichtsgebäude geräumt werden musste und die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde. Schlussendlich einigten sich die Streitparteien auf einen Vergleich. 1937 wollte der Goldfüllfederkönig gemeinsam mit seiner ehemaligen Prozessgegnerin in einem Varieté im Münchner Hof auf der Wiener Mariahilfer Straße auftreten, die Plakate waren schon gedruckt, als die Polizei Winkler diesen Auftritt verboten hatte.

Der Falschmeldung überführt

Die Kriegsjahre bedingten einen starken Rückgang seines Geschäfts, jedoch reiste er auffallend oft nach Deutschland. 1944 wurde er verhaftet. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung wurden zwei Geheimzimmer voll mit Lebensmitteln, Kleidung und Zigaretten gefunden. Er wurde zu einer hohen Geldstrafe und sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Im April 1945 wurde er befreit. Er begann sofort vergeblich um die Rückgabe der beschlagnahmten Gegenstände zu kämpfen. Er behauptete, einer Widerstandsorganisation angehört zu haben, für die diese Sachen bestimmt gewesen waren, stieß aber auf taube Ohren. In den Nachkriegsjahren kam es zu einigen Diebstahlsanklagen. Weit entfernt von lustigen Streichen und Bagatelldelikten war die zweimalige Anklage wegen Kinderschändung an mehreren Mädchen zwischen sieben und elf Jahren. Beide Male wurde er dafür verurteilt, 1951 zu fünf Jahren schweren Kerkers, Gnadengesuche an den Bundespräsidenten blieben ohne Erfolg.

Auch nach der Entlassung aus dem Gefängnis konnte er seinen Geltungsdrang nicht unterdrücken. Als die Edelprostituierte Rosemarie Nitribitt ermordet wurde, bezichtigte er sich im Februar 1958 in einem Brief an die deutsche Staatsanwaltschaft des Mordes an ihr und an einem weiteren Freudenmädchen. In Deutschland verursachte das Schlagzeilen, da der Goldfüllfederkönig vergessen war, in Österreich erinnerte man sich jedoch sofort an ihn – und Winkler wurde wieder einmal einer Falschmeldung überführt.

In seiner letzten Wohnung im Großen Michaelerhaus am Kohlmarkt 11 fristete er ein kärgliches Dasein. Er war inzwischen Sozialrentner geworden und bettelte Bekannte wie den in demselben Haus wohnenden Hans Weigel immer wieder um Geldbeträge an. Die allerletzte Station des Goldfüllfederkönigs Ernst Winkler war die Versorgung in Lainz, wo er am 21. Juni 1974 88-jährig an Magenkrebs starb.

Mit der Kandidatur für die Bundespräsidentenwahl war es seinerzeit dann doch nichts geworden, ebenso wenig wie mit der Direktwahl. Aufgrund von instabilen politischen Verhältnissen wurde der amtierende Bundespräsident Wilhelm Miklas 1931 wieder von der Bundesversammlung gewählt. Der erste direkt vom Volk gewählte Bundespräsident war Theodor Körner, der sein Amt 1951 antrat. (Friederike Kraus, 14.10.2022)