Alexander Van der Bellen blickt zuversichtlich in die Kamera. Im Hintergrund des Sujets sieht man eine Österreichflagge. Darunter klebt der knallgelbe Kreis, der auf allen Plakaten des Bundespräsidenten zu sehen war. Normalerweise stand darin: "Klarheit schaffen am 9. Oktober." Auf diesem aber: "Armut. Krieg. Dieser Mann nickt alles ab" – in selber Schriftgröße und Schriftart wie beim Original. Für Passantinnen und Passanten ist es kaum erkennbar, dass es sich nicht um das echte Sujet Van der Bellens handelt – abseits des wunderlichen Werbespruchs.

Öffentliche Events kaum mehr möglich

Mit starkem Gegenwind habe er natürlich gerechnet, sagt Martin Radjaby-Rasset, Van der Bellens Wahlkampfleiter. Aber der Aufwand, der teilweise betrieben wurde, um die Kampagne zu beschädigen, sei enorm. "Und die Aggressivität dieses Bundespräsidentschaftswahlkampfs war neu und bisher ungesehen", ist er sich sicher. Radjaby-Rasset war auch schon maßgeblich an der Kampagne Van der Bellens im Jahr 2016 beteiligt. "Diesmal mussten wir sechsmal so viele Plakate nachkleben wie damals, weil so viel durch Vandalismus zerstört wurde", sagt er.

Mit dem Kandidaten angekündigt auf ein öffentliches Event wie einen Kirtag zu gehen sei heute im Grunde kaum mehr möglich, heißt es aus Van der Bellens Team – aus Sicherheitsgründen.

In diesem Wahlkampf seien sechsmal so viele Plakate von Alexander Van der Bellen beschmiert oder zerstört worden wie 2016, heißt es aus dessen Team. Auch die FPÖ beklagt massive Beschädigungen.
Foto: APA/EVA MANHART

Zumindest über zerstörte Plakate wird auch in der FPÖ geklagt. "Wir kennen das Problem seit Jahrzehnten", sagt der Sprecher von Walter Rosenkranz. Der "Klassiker" bei Beschmierungen von FPÖ-Plakaten sei "der Hitler-Bart". In diesem Wahlkampf seien aber auch viele Plakate heruntergerissen oder gar der ganze Ständer kaputtgeschlagen worden. "Dafür braucht man dann schon einen Vorschlaghammer", sagt Rosenkranz’ Sprecher.

Wlazny empfindet Plakat-Diebstahl als Kompliment

Dominik Wlazny sieht die Situation etwas anders. Zwar seien auch ihm Plakatständer gestohlen worden, er empfinde das aber als Kompliment: "Meine Plakate werden mitgenommen, weil sie so schön sind. Die hängen jetzt vermutlich in irgendeinem Jugendheim." Konkret hatte Wlazny beim Antreten seiner Bierpartei in Wien 13 Plakatständer. Für die erste Plakatwelle der Bundespräsidentschaftswahl waren noch neun davon übrig, dann kamen zwei weitere abhanden. Wie viele es nun nach dem Wahlkampf noch sind, wisse er gar nicht.

Dem Team von Van der Bellen geht es aber nicht nur um Vandalismus, vielmehr beobachte man eine "zutiefst antidemokratische Entwicklung", wie Van der Bellens Sprecher Stephan Götz-Bruha es nennt. Denn eine kleine Gruppe aus fünf bis zehn Leuten sei in der Lage, eine Veranstaltung in der öffentlichen Wahrnehmung zu überschatten.

Mediale Aufmerksamkeit für kleine Gruppe

Vor der Eröffnung der Salzburger Festspiele wurde Van der Bellen etwa ausgepfiffen und als "Volksverräter" beschimpft. Ein Mann kam mit einem gigantischen Galgen zu den Protesten. Wenige Leute – in dem Fall aus der extrem rechten Szene – könnten mit solchen Aktionen eine enorme Aufmerksamkeit generieren, sagt Götz-Bruha. "Das ist eine bedenkliche Entwicklung, die man auch für künftige Wahlkämpfe im Auge behalten sollte."

Dabei hält das Team von Van der Bellen die eigene Kampagne für eine kaum bis gar nicht angriffige "Dominanzkampagne" des Amtsinhabers – zumindest bisher. Wäre es zu einer Stichwahl gekommen, hätte sich das geändert, erklärt Radjaby-Rasset. Vorbereitet war dafür schon alles: Strategie, Sujets, Slogans. In der Duellsituation hätte auch Van der Bellen die Angreiferrolle eingenommen. Generell habe die Öffentlichkeit nur 15 Prozent von all dem zu Gesicht bekommen, was in der Kampagnenplanung vorbereitet war, sagt Radjaby-Rasset. "Der Werkzeugkoffer war voll." (Katharina Mittelstaedt, 14.10.2022)