Beim "Girls! Tech up"-Event konnten Schülerinnen verschiedene Berufe und Ausbildungen näher kennenlernen.

Foto: OVE/C. Fürthner

Wien – Das Haus der Ingenieure füllt sich heute mit vielen Schülerinnen. Drinnen sind Informationsstände aufgestellt und aufregende technische Geräte aufgebaut. Die Mädchen sind hier nicht nur zum Zuhören: An den verschiedenen Stationen können sie zum Beispiel mathematische Rätsel lösen oder einen Einblick ins Programmieren bekommen.

"Girls! Tech up" ist eine Initiative vom Österreichischen Verband für Elektrotechnik (OVE). Das Ziel ist es, technische Berufe und Ausbildungen für junge Mädchen greifbarer zu machen. Dazu wurden Fachkräfte aus verschiedensten Bereichen eingeladen, darunter Vertreterinnen und Vertreter von HTLs oder Unternehmen, die Lehrberufe anbieten.

"Es wollen nicht alle Friseurin werden"

"Ich interessiere mich eigentlich schon für Technik", sagt Amal, eine Schülerin auf der Messe. "Es ist halt spannend, wenn wir neue Sachen lernen, vor allem auf Ausflügen. Später so etwas zu arbeiten kann ich mir auch vorstellen, es wollen nicht alle Mädchen nur Friseurin werden."

Elisabeth und Namrata besuchen den Elektrotechnikzweig einer HTL. Sie sind die einzigen Mädchen in ihrer Klasse von 23 Schülern. "Technik war immer so ein Jungsthema früher", erzählen sie über den Schulwechsel in die HTL. "Ich glaube, manche Mädchen haben vielleicht Angst oder denken, es ist zu schwer", sagt Namrata.

Eine andere Schülerin der Höheren Lehranstalt für Elektrotechnik präsentiert ein Diplomprojekt ihrer Schule: ein kleines selbstfahrendes Auto. Die Fortbewegung erfolgt mithilfe von Sensoren. Die Projekte seien vielfältig gewesen: Von elektrischen Dreirädern bis hin zu gedankengesteuerten Drohnen sei einiges dabei gewesen. Die Elektrotechnik ist für gewöhnlich ein sehr männerlastiges Forschungsfeld. In ihrem Jahrgang gebe es drei Mädchen, sagt die Schülerin, von insgesamt 60 Personen.

Nur 15 Prozent weibliche Absolvierende beim Informatikstudium

In Österreich liegt der Frauenanteil unter Absolventinnen und Absolventen naturwissenschaftlicher Fächer bei rund 38 Prozent, das ergeben die aktuellsten Zahlen von Eurostat aus dem Jahr 2020. In den einzelnen Fächern gibt es aber große Unterschiede: In Mathematik und Statistik besteht ein Frauenanteil von 33 Prozent. Das Schlusslicht bildet die Informatik, wo Absolventinnen nur rund 15 Prozent ausmachen. Zum Vergleich: In den Biowissenschaften beträgt der Anteil an Frauen beim Abschluss rund 66 Prozent.

Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) sehe die Zahlen aber langsam steigen, sagt er beim "Tech up"-Event. Das Arbeitsministerium würde gemeinsam mit dem Frauenressort Initiativen unterstützen, die mehr Mädchen in Mint-Bereiche bringen wollen, sagt Kocher. Mint-Fächer bezeichnen Berufe aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.

"Girls! Tech up"-Initiatorin Michaela Leonhardt sieht auch kleine Veränderungen. Es würden viele neue Berufe in technischen Bereichen entstehen, das Problem sei, dass "die Berufe nicht greifbar sind für junge Mädchen", sagt sie. Wichtig wäre es für die Schülerinnen, Vorbilder kennenzulernen und über die Berufe auch zu sprechen. Dann könnten die Expertinnen erklären, wie ihr Arbeitsalltag so aussehe und was daran spannend sei.

Familienfeindliches Forschungsumfeld

"Es sind gut ausgebildete Frauen notwendig, aber der Outcome von den Unis ist schon niedrig", sagt Natascha Hajek, Ingenieurin bei einer Firma für Elektrotechnik. Sie glaubt, dass stereotypische Einstellungen über Frauen in der Technik weiterhin bestehen. "Ich glaube, viele Mädls werden recht traditionell erzogen und haben diese Unterstützung von zu Hause auch nicht", sagt sie.

Eine junge Forscherin erzählt von ihrer Ausbildung auf der Uni Wien: "Im Physikstudium waren vielleicht ein Viertel Studentinnen, viel schlimmer war's bei den Lehrenden. Es gab vielleicht zwei Professorinnen auf 50 Professoren." Die Auswahl für mögliche Ph.D.-Kandidaten sei besonders unausgeglichen. "Das Forschungsumfeld in der akademischen Karriere ist sehr kompetitiv und auch familienfeindlich. Ich hatte Kolleginnen, für die das ein Thema war, weil sie auch eine Familie planen wollten", sagt sie.

Anhaltende Hürden

Viele Unternehmen zeigen mittlerweile Initiative: Sie bieten zum Beispiel Internships und Traineeships an, die speziell an Frauen gerichtet sind. Das Bewusstsein, dass mehr Frauen in der Branche benötigt und auch erwünscht sind, ist bei manchen angekommen. Trotzdem scheitert es oft an verschiedenen Hürden, fehlende Rollenbilder seien nur ein Teil davon. Frauen in Mint-Berufen berichten von ungleicher Bezahlung und unflexiblen Arbeitszeiten, das geht aus einer Studie des Instituts für Höhere Studien von 2018 hervor. Es brauche neben gerechter Bezahlung auch flexible Ausbildungen und Arbeitszeitmodelle, um Frauen auch nach dem Einstieg ins Berufsleben nicht zu verlieren.

Im Arbeitsalltag kommt es teilweise zu weitaus banaleren Problemen: Seit Jahren berichten Frauen zum Beispiel von Einstellungen in Abteilungen, in denen es schlicht keine Damentoilette gibt. Die Bereitstellung von getrennten WC-Anlagen sei rechtlich nämlich erst ab fünf Arbeitnehmerinnen erforderlich. (Alara Yilmaz, 14.10.2022)