Man patzt einfach einen Klecks Butter auf ein Holzbrett, belegt es mit Kräutern und anderem Kram – und das soll jemand essen?" Die Kollegin schaut entgeistert. Nicht ganz zu Unrecht. Trotzdem geht in den sozialen Medien derzeit ein Food-Trend viral, der sich den meisten Menschen nicht sofort erschließt. Tiktok und Instagram werden mit Do-it-yourself-Videos sogenannter Butter-Boards geflutet.

Klingt hip, ist aber genau das: Weiche Butter wird auf ein Holzbrett geschmiert, manchmal in ansehnlicher wellenartiger Berg-und-Tal-Formation, manchmal eher grobschlächtig gepatzt, als hätte man ein Stück Butter platt gedrückt. Danach wird die Schmierage nach Belieben mit Süßem oder Salzigem belegt – oder beidem. Salz und Honig landen auf der fettigen Brettljause genau wie fein geschnittene Feigen, Fetakäsewürfel, die ideal zu gerösteten Pinienkernen passen, so wie frische Kräuter oder fein geriebene Zitronenschale als aromatisches und vor allem frisches Finish. Irgendwas muss ja die Wucht der Butter geschmacklich ausgleichen.

Butter-Boards sind weiche Butter, kunstvoll arrangiert.

Millionen Aufrufe

Butter auf Brett also. Dabei geht es weniger um den Geschmack, sondern vor allem um die Ästhetik. Butter-Boards eignen sich perfekt für Social-Media-Clips: bunt, optisch ansprechend, individualisierbar, skurril und vor allem auch leicht nachzumachen. Das ist die Ursache für den Hype, den die US-amerikanische Foodfluencerin (jap, das ist ein Wort!) Justine Doiron ausgelöst hat, nachdem sie ihre Version des Butterbretts Mitte September auf Tiktok gepostet hatte. Mehr als 320 Millionen Aufrufe konnte der Hashtag #ButterBoard seither auf der Plattform generieren, allein 8,5 Millionen Aufrufe verzeichnet der Ursprungsclip von Doiron. Darin garniert die New Yorkerin ihre Butter mit Feigen, rohen roten Zwiebeln, geriebener Zitrone, Salz, Honig, Koriander und essbaren Blüten.

Erfunden hat die Tiktokerin die Butterbretter aber nicht. Sie ließ sich von einem Rezept des US-amerikanischen Kochs und Gastronomen Joshua McFadden inspirieren. In seinem Slow-Food-Kochbuch Six Season veröffentlichte er die Anleitung zu einer mit Kräutern und Blütenblättern verfeinerten Butter – natürlich auf ein Brett geschmiert. Abwandlungen hat der Trend auch schon erzeugt: Es zirkulieren bereits Videos von Hummus- und Frischkäsebrettern im Netz.

Butter-Board-Selbstversuch

Im Selbstversuch zeigt sich zunächst die erste Überraschung: Man braucht gar nicht so viel Butter, wie man glaubt. Die Bretter auf Tiktok wirken üppig und ausufernd mit gefühlt einem halben Kilo Butter bestrichen. So viel haben wir für den Test eingekauft. Doch für ein durchschnittlich großes Holzbrett kommt man mit der Hälfte eines Butterblocks aus, selbst wenn man sich an das elaborierte Wellenmuster wagt. Das freut bei einem Butterpreis von fast drei Euro pro Block vor allem das Börserl. Zunächst muss die Butter weich sein, also sollte sie 30 Minuten vor Gebrauch aus dem Kühlschrank genommen werden.

Währenddessen schnippelt man Kräuter klein und Feigen in Scheiben. Dann beginnt die eigentliche Patzerei: Die weiche Butter wird auf das saubere Brett gelöffelt. Keine Sorge, das Brett muss nicht unbedingt vollgesaut werden. Als hygienischen Schutz kann man einen Backpapierbogen ausbreiten. Löffel um Löffel schmiere ich die Butter auf das Brett, im Sommer wäre es eine riesige Sauerei geworden. Aber selbst bei kühleren Temperaturen ist das ästhetische Anrichten nicht so einfach. Mit den Fingern schiebe ich die Butter auf das Brett, versuche wie die Tiktoker ein präsentables Etwas zu erzeugen – es erinnert aber mehr an unförmige, gelbe Batzen. Von wegen Wellenform.

Butterkunst

Meine Finger duften buttrig, auf dem Handy suche ich nach der Anleitung für die nächsten Schritte und verschmiere dabei das Display. Als Nächstes muss grobes Salz darübergestreut, die Feigenscheiben drapiert und rohe Zwiebelspalten arrangiert werden. Mit leichter Hand reibe ich die Zitrone, der gezupfte Koriander wird elegant darübergestreut. Abschließend tröpfle ich Honig in Zickzackbewegungen über das Butterbrett.

Ich fühle mich wie ein Künstler, ein Virtuose der Butter. Hin und wieder schauen die Kolleginnen und Kollegen vorbei, die mein Experiment mitbekommen haben. Ekel und Interesse geben sich dabei die Hand, verblüfft sind sie aber alle: "Schaut ja wirklich schön aus." Nur die Blütenblätter fehlen. Egal, mein Butter-Board muss ja eh nur in den STANDARD und nicht auf Tiktok.

Butter aufs Brot, bitte!

Durch den ganzen Firlefanz sieht man am Schluss nichts mehr von der Butter, also hätte ich mir die ganze Arbeit eigentlich sparen können.

Mit frischem Baguette gleite ich durch die Butter und nehme dabei Honig, Kraut und Zwiebel mit. Keine Sorge, wer nicht will, dass Gäste immer wieder mit dem angeschlapperten Brot über das Brett streichen, kann auch ein Messer verwenden, empfiehlt die Tiktokerin Doiron. Warum man die Butter dann nicht gleich aufs Brot schmieren und belegen kann? Die britische Zeitung Guardian sieht darin einen grundlegenden Fehler: Man darf die Butter nicht einfach nur aufs Brett schmieren, man sollte sie mit einem Mixer zehn Minuten schaumig schlagen. Erst dadurch bekomme die Butter einen feineren Geschmack.

Keine Sorge, man darf die Butter auch mit einem Messer statt mit Brot vom Brett nehmen.
Foto: Lukas Friesenbichler/Der Standard

Der Tipp kam für mich zu spät, aber meinen Butterbretteffekt störte das nicht. Das Salz, die Süße des Honigs und die Schärfe der Zwiebel kommen mit der Frische der Zitrone und des Korianders überraschend harmonisch zusammen, das Fett der Butter als Geschmacksträger rundet die vielfältigen Aromen perfekt ab. Ich wollte es mir selbst nicht eingestehen, aber das Butter-Board schmeckt.

Zumindest die erste, vielleicht noch die zweite Portion. Dann wird’s schon schwieriger. Die Butter ist dominant, vor allem die Konsistenz, schnell fühlt es sich gallig an im Mund. Die Butterbretter sind auch nicht für eine Person allein gedacht, auch nicht für zwei oder drei. Sie sind, wie Doiron im Video sagt, fürs gemeinsame Essen konzipiert. Was übrig bleibt, ist sonst eine Schüssel von Butterresten, die im Kühlschrank ranzig wird. Durch die anderen Zutaten kann sie nicht mehr wirklich verwendet werden, außer eben, um sie aufs Brot zu streichen, und damit wären wir wieder beim hinterfragenswerten Sinn des Trends: Streichen Sie einfach die Butter aufs Brot, und belegen Sie es. Das ist hygienischer, nachhaltiger und schaut sicher ähnlich gut aus. (Kevin Recher, 20.10.2022)