Auch andernorts schirmen sich Demonstranten mitunter ab, wie hier bei einer Demo in Washington, allerdings ohne deshalb Medien zu attackieren.

Foto: stefani reynolds / afp

Eigentlich ging es am Dienstag am Wiener Bezirksgericht Innere Stadt um drei beschädigte Schirme. Ihre Besitzer, der 30-jährige A. und B., ein 38-jähriger Deutscher, Patrioten, wie sie sich selbst nennen, hatten sie bei einer Kundgebung an einem sonnigen Junitag dabei. Wie viele andere Männer aus dem Umkreis der Identitären auch.

Abgedrängt

Damit versuchten sie Medien im Wortsinn abzuschirmen und zu verdrängen. Immer wieder wurde auch der Fotograf Lorenzo Vincentini abgedrängt. Dabei sollen die Schirme im Wert zwischen zehn und 30 Euro zerstört worden sein – von Vincentini, wie A. und B. erzählen. Vincentini wurde wegen Sachbeschädigung angezeigt. Richter Dietmar Koller zeigt sich anfangs verwundert über den Streit um drei Schirme, doch bald wird klar, dass es hier um anderes geht.

Sein Mandant wurde immer wieder von "diesen Herrschaften drangsaliert", erklärt Vincentinis Anwalt Matej Zenz, sie versuchten nicht nur ihn und andere Journalisten "an der Arbeit zu hindern, sondern sogar zu schlagen". Da er die Schirme zwar zur Seite schieben, sich und seine Kamera schützen wollte, aber keine Beschädigungsabsicht gehabt habe, plädiert der Anwalt auf Freispruch.

Lange Spitzen

Vincentini selbst erzählt dann, wie man ihn nicht nur weggedrängt, sondern auch verfolgt habe. Die Spitzen der Schirme seien zehn Zentimeter lang gewesen. Dazu werden auch einige Fotos vorgelegt, die dem Richter die Situation an dem Tag veranschaulichen sollen.

Dieser wundert sich über das Meer schwarzer, einheitlich aussehender Schirme an einem Tag, an dem "strahlender Sonnenschein" geherrscht habe. Schirmbesitzer A. sagt als Zeuge aus, dass er als Ordner bei der Kundgebung eingeteilt gewesen sei, um Teilnehmer vor dem Fotografen zu "beschützen". Dabei hatte er zwei Schirme dabei. Warum die Leute sich nicht fotografieren lassen wollen, will Koller wissen: "Wenn ich zu einer Demo gehe, rechne ich damit, dass ich fotografiert werde", sagt der Richter. "Alle wollen das halt nicht", antwortet A. Und warum habe er gleich zwei Schirme dabei? "Je mehr, umso besser", meint A., es komme "ja öfter vor, dass man einen braucht".

Anders als A. will B. kein Ordner gewesen sein, aber zufällig einen Schirm dabeigehabt und Flyer verteilt haben. Ob er immer einen Schirm dabei habe? "Na ja, wenn‘s heiß wird und man lange steht", meint B. Langer Schirm oder Knirps, fragt Koller weiter. Doch das weiß B. nicht. "Wenn’s an kaputten Schirm haben, müssen’s ja wissen, ob Knirps oder lang", wird der Richter ungeduldig und sagt, dass man nicht mehr im 18. Jahrhundert lebe, wo Menschen "Angst vor einem Sonnenstich gehabt haben".

Verwirrung

Schließlich herrscht auch noch Verwirrung bei der Sichtung der Fotos der beschädigten Schirme, von denen B. vorerst keinen als seinen erkennt. Die Bilder, die Anwalt Zenz vorlegt, zeigen, wie die beschirmten Patrioten dem Fotografen nachlaufen, als dieser sich schon deutlich von der Demo entfernt hat.

Ein STANDARD-Journalist, der als Zeuge geladen ist, weil er die Demo auch beobachtet hatte, kann bestätigen, das Vincentini auf der Kundgebung bedrängt und verfolgt wurde. Am Ende will noch der Zeuge G. seinen Kameraden helfen, was nach hinten losgeht. Der rechte Aktivist stellt sich als Journalist des "Heimatkuriers" (eines Telegramkanals, in dem sich rechtsextreme Aktivisten tummeln, die sich Identitäre nannten, als deren Zeichen noch nicht verboten waren; Anm.) vor. Der 27-jährige G. erklärt dem Richter, dass ein Zeichen, dass B. auf einem Foto macht, nicht rassistisch sei. Nicht "White Power" bedeute die Fingerhaltung, sondern "Okay" in der Tauchersprache. "Sehr viele Taucher in Ihrer Organisation", moniert der Richter.

Schließlich spricht er Vincentini – noch nicht rechtskräftig – frei, da Aussage gegen Aussage stehe, Vincentinis Gegenseite aber "absolut keine glaubwürdigen Zeugen" habe, die "herumgeeiert" hätten wie nur möglich und die Fotos von ihnen seien "martialisch". Der Richter empört sich auch am Schluss seiner Begründung noch einmal: "Ein Tauchergruß auf der Freyung! Das muss einem einmal einfallen!" (Colette M. Schmidt, 18.10.2022)