Adlerrunde-Präsident Klaus Mark befragte Ministerin Leonore Gewessler beim Mitgliedertreffen der Tiroler Unternehmervereinigung.

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Kufstein – Es war sicher kein Heimspiel für die grüne Energie-, Klimaschutz- und Umweltministerin Leonore Gewessler. Im Autohaus Unterberger in Kufstein, inmitten teurer Boliden und Motorräder bayrischer Herkunft, stellte sich die ehemalige Umweltaktivistin am Dienstagabend der Diskussion mit rund 50 Adlern, also Tiroler Wirtschaftstreibenden – es war ein klar männlich dominiertes Publikum. Die Adlerrunde ist laut Eigendefinition eine "politisch unabhängige Plattform namhafter Unternehmerpersönlichkeiten", die sich aber immer wieder mit politischen Anliegen zu Wort meldet – etwa in Form von Inseraten in Tageszeitungen. Zudem fungierten mehrere Adlerrunde-Mitglieder 2017 als Wahlkampfspender für Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Regelmäßig lädt die Vereinigung hochrangige Politikerinnen und Politiker zum Gedankenaustausch. In der Vergangenheit passierten diese Treffen oft unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Doch der aktuelle Präsident der Adlerrunde, Weihnachtsbeleuchtungshersteller Klaus Mark, setzt auf "Transparenz und Öffnung". Auch um Kritik zu entgegnen, dass sich die einflussreichen Unternehmer im stillen Kämmerchen mit der Politik arrangieren würden. Daher war DER STANDARD in Kufstein eingeladen, der Diskussion mit Gewessler beim "Mitgliedertreffen" beizuwohnen – was anfangs selbst die Ministerin überraschte, da sie nicht von einer medienöffentlichen Veranstaltung ausgegangen war.

Die Krise als Brennglas

Thema des Abends waren – passend zu Gewesslers Ressortzuständigkeiten – Energiepolitik und Mobilität. Zur Einstimmung lieferte Gastgeber Gerald Unterberger eine Präsentation zum Familienunternehmen, das im Autohandel und der Immobilienbranche tätig ist. Danach folgte ein viertelstündiger Impulsvortrag der Bundesministerin unter dem Titel "Mobilität der Zukunft unter Berücksichtigung der Energiekrise". Gewessler erklärte der Adlerrunde, dass die heimischen Gasspeicher zu 86 Prozent gefüllt seien und man daran arbeite, Kostensicherheit sowohl für Private wie für Unternehmer zu erreichen. Und sie gab die Marschrichtung vor: "Wir müssen raus aus Gas und fossilen Energieträgern." Die aktuelle Krise funktioniere wie ein Brennglas, das den Reformstau in Sachen Energiewende verdeutliche, führte die Ministerin aus.

Im Anschluss an den Vortrag interviewte Adlerrunde-Präsident Mark die grüne Ministerin auf dem Podium. Dabei sprach er Gewessler auf ihren Werdegang, konkret ihre Zeit als Geschäftsführerin bei der Umweltschutzorganisation Global 2000 an, bevor sie in die Politik wechselte: "Die Ökopartei nimmt ja viele Anleihen bei solchen Organisationen, anderswo nennt man das auch Lobbyismus." Die Ministerin konterte, dass NGOs oft der Antrieb für Veränderungen seien, indem sie "den Finger in die Wunde halten". In der Politik wiederum funktioniere das anders, dort gelte es, Mehrheiten zu finden, um Anliegen durchzusetzen und etwas zu ändern.

Es folgten Fragen zu CO2-Bepreisung, der von Mark angezweifelten europäischen Energiestrategie sowie der Versorgungssicherheit heimischer Unternehmen und Haushalte. Mit ihren Antworten stieß Gewessler nicht unbedingt auf Zustimmung, wovon das immer wieder aufkommende Raunen im Saal zeugte. Als Moderator und Präsident Mark mit seinen Fragen durch war, kam das Publikum an die Reihe. Und diese Chance nutzten einige der namhaften Unternehmer, um ihrem Unmut über die aktuelle Politik kundzutun.

Ministerin stand Rede und Antwort

Als Erster meldete sich der Ötztaler Seilbahnunternehmer Jack Falkner zu Wort. Er versuchte der Ministerin zu verdeutlichen, wie schlimm die Lage vor allem für die Skigebiete und Tourismusbetriebe sei: "Es geht in der Realität ums nackte Überleben." Doch die Hilferufe seiner Branche würden "nicht einmal ignoriert". Falkner machte keinen Hehl aus seinem Ärger über den mangelnden Stellenwert, den der Tourismus seiner Meinung nach hierzulande habe: "Warum ist man nicht stolz auf diese Branche, statt immer nur draufzuhauen?"

Und Falkner sprach sich für einen Ausbau der Wasserkraft aus, um langfristig Energiesicherheit zu garantieren, doch der werde durch endlose Verfahrensdauern blockiert. Gewessler entgegnete, dass es wichtig sei, die erneuerbaren Energieträger auszubauen, allen voran Photovoltaikanlagen und Windräder. Bei Wasserkraft hingegen "kratzen wir bereits am Plafond", so die Ministerin. Viel mehr sei da nicht möglich.

Ins selbe Horn wie Falkner stieß Immobilien- und Tourismusunternehmer Manfred Pletzer. Er sagte, dass die Wirtschaft gegenüber dem Umweltschutz "viel klein beigegeben" habe und nun umgekehrt auch die Seite des Umweltschutzes der Wirtschaft zuhören solle. Er meinte damit, dass etwa NGOs bei Umweltverträglichkeitsprüfungen durch ihre Einsprüche für zu lange Verfahren verantwortlich seien. Die Ministerin hielt dem entgegen, dass Kritik von Projektgegnern ernst zu nehmen sei: "Es braucht gute, schnelle und rechtssichere Verfahren. Aber die Beteiligungsmöglichkeiten müssen erhalten bleiben, denn die Fragen werden nicht verschwinden."

Gewessler musste zum Zug

Weil die Zeit drängte – die Ministerin musste den letzten Zug zurück nach Wien erwischen –, wurde der abschließende Programmpunkt, die Podiumsdiskussion zur Mobilitätswende, im Schnelldurchlauf absolviert. Gewessler saß mit Vertretern der Automobilindustrie auf der Bühne, die von den aktuellen Entwicklungen in Sachen Elektro- und Wasserstoffantrieb erzählten. Wobei man sich aufseiten der Herren einig war, dass im Pkw-Segment allein E-Antriebe Zukunft hätten. Wasserstoff sei für diesen Einsatzzweck zu ineffizient. Eine echte Diskussion kam aus Zeitmangel bei diesem Thema nicht mehr auf.

Abschließend bedankte sich Präsident Mark stellvertretend für die Adlerrunde mit einem hochprozentigen Geschenk bei der Ministerin für ihr Kommen. In Zukunft wolle sich die Unternehmervereinigung weiter dem Diskurs mit Politikerinnen und Politikern aller Parteien öffnen, erklärte er. So war 2020 Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger zum Thema Bildung zu Gast, und man arbeite bereits an einer Einladung für die SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner. (Steffen Arora, 19.10.2022)