Auch bei Fastfood-Ketten soll die Kundschaft immer mehr Arbeitsschritte selbst an Automaten erledigen. Eine Qualitätsverschlechterung, die in der offiziellen Inflationsrate unberücksichtigt bleibt.

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Die Inflation in Österreich schaukelt sich immer weiter auf. Mit 10,5 Prozent im September hat sie den höchsten Wert seit 1952 erreicht – und wird vermutlich in den nächsten Monaten weiterhin sehr hoch bleiben. Ausschlaggebend für die Teuerungswelle sind vor allem die hohen Preise für Treibstoffe und Haushaltsenergie. "Preise für Nahrungsmittel und Gastronomie stiegen im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls weiterhin stark an", sagte Statistik-Austria-Chef Tobias Thomas am Mittwoch.

Damit wurde die Schnellschätzung der September-Inflation in Österreich bestätigt. In den vorangegangenen Monaten musste der Wert jeweils leicht nach oben korrigiert werden, nämlich für August um 0,2 Prozentpunkte auf 9,3 Prozent. Im Monatsabstand sind die Verbraucherpreise im September damit um 1,6 Prozent gestiegen.

Aber stellen die offiziellen Inflationszahlen den tatsächlichen Preisauftrieb wirklich korrekt dar? Gunther Schnabl ist nicht dieser Meinung. Er leitet an der Universität Leipzig das Institut für Wirtschaftspolitik und sagt: "Die wahre Inflation gibt es nicht." Die Teuerung hänge von der Zusammensetzung, Gewichtung und Berechnung des jeweiligen Warenkorbs ab, der zur Inflationsmessung herangezogen wird. Und genau da setzt seine Kritik an – und seine Folgerung, dass der Preisauftrieb generell zu niedrig ausgewiesen wird.

Blinder Fleck bei Teuerung

Einerseits sind Schnabl zufolge die Anschaffungskosten für selbstgenutzte Wohnimmobilien ein blinder Fleck, der im Gegensatz zu Mieten nicht in die Inflationsberechnung einfließt. Der massive Anstieg der Immobilienpreise durch die niedrigen Zinsen seit der Finanzkrise bleibt also unberücksichtigt.

Zudem sieht der Experte Probleme bei der Berechnung von Leistungssteigerungen bei Produkten: Wenn ein Auto über mehr PS oder ein Computer über schnellere Prozessoren als der Vorgänger verfügt, wird dieser Leistungszuwachs bei der Inflationsberechnung dämpfend berücksichtigt. "Das hat man genutzt, um die Preise herunterzurechnen", sagt Schnabl. Allein, die Kundschaft muss natürlich den tatsächlichen Betrag begleichen.

Geringere Lebensdauer

Im Gegenzug sollten auch Qualitätsverringerungen berücksichtigt werden. Aber wie soll das funktionieren, wenn Hersteller durch qualitativ minderwertigere Bauteile die Lebensdauer von Produkten verringern, was – Stichwort geplante Obsoleszenz – aber erst nach Jahren auffällt? "Das kann man beim Kauf gar nicht feststellen", sagt Schnabl. Eine kürzere Produktlebensdauer bleibt also in der Inflation unberücksichtigt.

Dass Lebensmittel tendenziell immer weniger nachhaltig produziert werden, wird ebenfalls nicht eingerechnet. Höherwertige, aber auch teurere Bionahrungsmittel wurden Schnabl zufolge im Inflationswarenkorb als eigene Produktkategorie eingeführt und somit nicht als Preissteigerungen erfasst.

In der Servicewüste

Zudem erinnert der Experte der Uni Leipzig daran, dass auch Service zur Leistung zählt. "Es gibt ein breites Spektrum an abnehmenden Dienstleistungen", sagt Schnabl und verweist auf den Trend zu Do-it-yourself an diversen Automaten, zu dem man gedrängt oder mitunter sogar gezwungen werde. Ob diverse Geräte in einer Bankfiliale, der Fahrkartenautomat am Bahnhof oder Selbstbedienungskassen in Supermärkten – immer mehr Vorgänge werden von der Kundschaft selbst erledigt. Eine Qualitätsverschlechterung, die ebenfalls in der Inflationsberechnung nicht berücksichtigt werde.

Wie stark summieren sich diese Effekte? Wie hoch wäre die Inflation, würde man sie berücksichtigen? Schnabl sagt, dass die Teuerung vor dem aktuellen Höhenflug um etwa einen Prozentpunkt zu tief ausgewiesen wurde, derzeit etwas mehr – ein Effekt, der sich über die Jahre summiert. Profitieren würde die Politik, da Staatsschulden durch die Inflation entwertet würden.

Schnabl verweist auf Umfragen, wonach die sogenannte gefühlte Inflation der Bevölkerung stets um vier bis fünf Prozentpunkte über dem offiziellen Wert liegt. Dies sei übertrieben, da sich die Leute stark an den Kosten des wöchentlichen Einkaufs orientierten. Tatsächlich wurde dieser im September in Österreich um 16,1 Prozent teurer – lag also um mehr als fünf Prozentpunkte über der allgemeinen Inflation. (Alexander Hahn, 20.10.2022)