Der österreichische Bundeskanzler hat beim EU-Gipfel zum Streit über die Maßnahmen gegen die Energie- und Wirtschaftskrise eine wichtige und richtige Feststellung getroffen: Alle EU-Staaten, aber auch die Nachbarn auf dem Westbalkan und in Osteuropa wie auch das militärisch für Europa bedeutende Großbritannien erlebten eine kritische Phase des Krieges. Bei der Suche nach Lösungen "dürfen wir uns daher nicht im Klein-Klein verlieren", sagte Nehammer.

Alle EU-Staaten erlebten eine kritische Phase des Krieges.
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Man sollte meinen, dass die Regierungen von fast vier Dutzend Staaten das nach sieben Monaten des Krieges in der Ukraine als Wahrheit anerkennen – und dass sie dementsprechend handeln, um sich gemeinsam aus einer gefährlichen Lage herauszuarbeiten. Erst vor zwei Wochen hatten sie sich alle in Prag zur Gründung der Europäischen Politischen Gemeinschaft gegen Wladimir Putins Aggression getroffen.

Leider ist das aber nicht der Fall. Es ist gespenstisch, wie zerstritten und in nationale Befindlichkeiten zersplittert viel zu viele Regierungschefs auftreten. In Frankreich ist Emmanuel Macron geschwächt, in Deutschland muss Olaf Scholz zur Richtlinienkompetenz greifen. Da bleibt kaum Kraft fürs gemeinsame Europa. In London trat Premierministerin Liz Truss zurück. Ungarns Viktor Orbán treibt quer wie eh und je. Der EU-Kommission gelingt es nicht, eine Linie vorzugeben.

Die Despoten dieser Welt, von Putin über Chinas Xi bis hin zu den iranischen Mullahs, lachen sich ins Fäustchen. (Thomas Mayer, 21.10.2022)