Führungskräfte sind in dieser Zeit immer stärker von ihrem Team abhängig.
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Es ist ultimativ anstrengend. Gewohnte Abläufe klappen nicht mehr, zu viele sind im Krankenstand, zu viele fehlen oder sind nur bedingt arbeitsfähig, weil es ihnen nicht gutgeht. Das ergibt intern keine inspirierende Stimmung, und das schlägt von außen, von Kunden, Klienten zurück – nicht nur in Spitälern wie aktuell in der Urologie und der Kardiologie im Wiener AKH können Leistungen nicht mehr wie erwartet gebracht werden.

Auch in weniger lebensentscheidenden Bereichen knirscht und kracht es, kaum etwas läuft rund. Warteschleifen für Kunden in der Infrastruktur ziehen sich über Tage, Liefertermine erweisen sich als serielle Makulatur, der Wirt kocht nicht mehr, die Bäckerin arbeitet an Schließungsplänen. Trotz großer Werbetrommel bewirbt sich niemand. Dazwischen werden die Nachrichten vom Krieg, vom Klima, von der Weltlage (gefühlt) immer schlimmer.

In den vergangenen Wochen ist auch die hochglanzmediale Funktionsmaschine für eine reibungslose Arbeitswelt mit ihren dogmatischen Tipps "So wirst du glücklich und motiviert" weitgehend zum Stillstand gekommen. Anleitungen zur Selbstfürsorge sind jetzt gefragt.

"Alles lösen" ist eine Illusion

Das ist ein wichtiger Hinweis für Führungskräfte. Sie können nicht lösen, was alles ängstigt, wehtut und so anstrengt. Wer sich in dieser Rolle noch nicht von der Illusion, "alles lösen" zu können, verabschiedet hat, wird dazu jetzt gezwungen. Wer noch immer glaubt, "alles im Griff" haben zu können, wird jetzt eines Besseren belehrt.

Aber auch wer glaubt, für alles zuständig zu sein, hat ein Problem. Die gebotene Fürsorge der Arbeitgeber mit ihren Vertreterinnen und Vertretern in den Führungsetagen hat jetzt viel mehr mit Ermöglichung der Selbstfürsorge zu tun. Das ist eine Gratwanderung zwischen Kollegen, die mit der Egomasche "Jetzt bin ich dran mit all meinen Bedürfnissen" daherkommen, und solchen, die still und wortlos versuchen, zu kompensieren, was gerade alles fehlt und schiefläuft.

Mit Kontrolle geht das nicht. Mit Nichthandeln und Abwarten, wie sich alles von selbst ordnet, auch nicht. Schnelle Urteile sind ebenso fehl am Platz wie überall selbst einzuspringen – das geht nicht (lange) gut.

Führungskräfte sind jetzt angewiesen auf die Fähigkeit zur Selbstführung in ihren Teams – das Gegenteil von dem, was die meisten in der Schule, in den Ausbildungen lernen. Daran ist jetzt zu arbeiten. Ein neues Verständnis von Fehlertoleranz gehört dazu – und der Abschied von Illusionen, die lediglich den Wandel auch in der Jobwelt behindern. (Karin Bauer, 25.10.2022)