Der ERC zeichnet wegweisende Projekte an europäischen Forschungseinrichtungen aus. Auch Kooperationen werden mit einem eigenen Fördertopf unterstützt.
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Einige Forschende, die in Österreich tätig sind, dürfen sich über hohe Förderungen durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) freuen. Vier Kooperationsprojekte erhalten hierzulande "Synergy Grants", die mit etwa zehn Millionen Euro dotiert sind. Insgesamt wurden 29 Forschungsgruppen mit dem Förderpreis ausgezeichnet, wie der ERC am Dienstag mitteilte.

In Summe fördert der ERC Gruppen von zwei bis vier Wissenschafterinnen und Wissenschaftern mit 295 Millionen Euro. Ziel ist die Unterstützung von Projekten, die ohne die enge Zusammenarbeit in diesen kleinen Gruppen nicht möglich wären. Durch die Kombination von einander ergänzenden Fähigkeiten und Ressourcen sollen dabei ambitionierte wissenschaftliche Problemstellungen im Grenzbereich zwischen Disziplinen bearbeitet werden.

Von Quantenphysik bis Zellbiologie

Der Quantenphysiker Philip Walther und der Gravitationsphysiker Piotr Chrusciel von der Fakultät für Physik der Universität Wien werden in ihrem ERC-Projekt "GRAVITES" mit Kollegen in Deutschland und den USA den Einfluss der Schwerkraft auf verschränkte Photonen untersuchen. Da diese nur sehr schwach mit der Schwerkraft wechselwirken, wollen die Forscher dafür ein extrem präzises Messgerät (Interferometer) bauen, in dem verschränkte Photonen bei der Ausbreitung durch 40 Kilometer lange Glasfasern verschiedenen Gravitationseinflüssen ausgesetzt werden.

Im Projekt "Orbital Cinema" will der Physiker Peter Puschnig vom Institut für Physik der Universität Graz gemeinsam mit deutschen Kollegen aus Jülich und Regensburg quasi in Zeitlupe sehen, wie sich Elektronen-Orbitale verändern, wenn sich etwa chemische Bindungen bilden beziehungsweise aufbrechen oder Ladungen trennen. Um solche Vorgänge, wie sie bei chemischen Reaktionen und Prozessen etwa in Quantencomputern oder in Solarzellen auftreten, beobachten und steuern zu können, sind hoch aufgelöste Aufnahmen im Nanometer- und Attosekunden-Bereich notwendig.

Der Bewegung von Zellen ist das Projekt "PushingCell" gewidmet, in dem Michael Sixt vom Institute of Science and Technology (ISTA) in Klosterneuburg mit Fachleuten aus den Niederlanden und Frankreich zusammenarbeitet. Zellen können sich gut orientieren und fortbewegen, indem sie sich gegen ihre Umgebung drücken, erklärte Sixt – eine Bewegung, die bisher noch nicht ausführlich erforscht wurde, während das "Ziehen" am Umfeld bereits recht gut verstanden sei. Die Gruppe will die Mechanismen des Drückprinzips untersuchen, das für fast alle Körperzellen gelte und somit essenziell für biologische Prozesse sei, von Immunantworten bis hin zur Tumormetastasierung.

Mehr als 100 Grants an Uni Wien

Die Theorie der Komplexität von Berechnungsproblemen steht im Mittelpunkt des Projekts "POCOCOP" ("Polynomial-time Computation: Opening the Blackboxes in Constraint Problems"), in dem der Mathematiker Michael Pinsker vom Institut für Diskrete Mathematik und Geometrie der Technischen Universität (TU) Wien mit Kollegen aus Dresden und Prag zusammenarbeitet. Die Forschenden werden dabei sogenannte "Constraint Satisfaction Probleme" unter die Lupe nehmen, deren Anwendungen von Wissenschaft bis Industrie allgegenwärtig sind.

In diesem Jahr wurden bereits mehreren österreichischen Forschungsgruppen renommierte ERC-Grants zugesprochen. Starting Grants fördern beispielsweise die Nobelpreis-prämierte "Click-Chemie", an der auch an der TU Wien geforscht wird, dank Advanced Grants werden Projekte mit bis zu 2,5 Millionen Euro unterstützt. An der Uni Wien heimste man in diesem Jahr den hundertsten ERC-Grant ein. (APA, red, 25.10.2022)