Auf dem Weg von der Frau zum Mann: Künstler Samira Elagoz.

Samira Elagoz

Wien – Ihre Vergewaltigungserfahrung verarbeitete die finnische Performancekünstlerin Samira Elagoz im Filmprojekt Cock, Cock.. Who’s There?, mit dem sie 2017 beim Impulstanz-Festival in Wien zu Gast war. Fünf Jahre später präsentiert nun das Tanzquartier die neueste Arbeit Seek Bromance, in der Elagoz, inzwischen ein Mann, seine eigene Transition filmisch begleitet. Und zwar in Konfrontation mit dem Transkünstler Cade Moga, der seine Veränderung von einer Frau zum Mann bereits begonnen hatte.

Elagoz und Moga lernten einander über Facebook kennen, waren von der künstlerischen Arbeit des jeweils anderen fasziniert und verbrachten schließlich drei Monate des Lockdowns isoliert in Mogas Apartment im wie leergefegten Los Angeles, um dort gemeinsam das Filmprojekt voranzutreiben. Es befasst sich im Selbstversuch mit Fragen von Intimität und Identität.

Seek Bromance wurde ein Vierstundenepos, in dem vor allem Gespräche über das kapitalisierte Ich, Sexualität und Körperhorror halb dokumentarisch, halb inszeniert gefilmt und illustriert werden. Bei der Biennale Teatro in Venedig erhielt Elagoz dafür den Silbernen Löwen.

Konfrontationstherapie

Die Kunst von Samira Elagoz fußt auf sozialen Experimenten in der Begegnung mit anderen. Bereits für Cock, Cock.. Who’s There? besuchte er (damals: sie) Cis-Männer, um Verhaltensmustern in Geschlechterverhältnissen nachzuspüren. Eine Art Konfrontationstherapie stellt nun auch die Begegnung von Elagoz und Moga in Seek Bromance dar, sie führt zu einer intensiven, indes schwierigen Beziehung, die letztlich auch knallhart zerbricht. Elagoz steht in der ursprünglich zu zweit geplanten Performance nun allein auf der Bühne.

Die Doku-Fiction wird von ihm auf der Bühne kapitelweise live kommentiert. Die beiden Instagram-geschulten Protagonisten, wie zur unendlichen Selbstdarstellung gezwungen, geben schillernde, mit mitreißender Musik unterlegte Bilder ab, die sich immer wieder zu opernhafter Intensität aufschwingen. Die Bromance (Männerfreundschaft) lockt das Publikum in Wahrnehmungsfallen und bildet ein breites Fragenspektrum ab in Zeiten erodierender Geschlechtervorstellungen. (Margarete Affenzeller, 28.10.2022)