Ein bürgerlicher Hasenfuß namens Biedermann (Christian Higer, rechts) bekommt Besuch von Brandschatzern (Sebastian Hufschmidt).

Foto: Petra Moser

Die entscheidenden Utensilien in Max Frischs Stück Biedermann und die Brandstifter platziert Regisseur Stephan Suschke am Landestheater Linz an der exponiertesten Stelle: Acht silbrig glänzende Benzinfässer stehen in Reih und Glied in einem an Stahlseilen in der Luft der Schauspielhausbühne schwebenden Dachbodenzimmer. Hier oben, unter der Giebelschräge (Bühne: Momme Röhrbein), bereiten zwei Brandstifter fein säuberlich ihren nächsten Anschlag vor. Nur der Hausbesitzer, Herr Biedermann (Christian Higer), will der Wahrheit nicht ins Auge blicken und hofft aus Gutgläubigkeit und Unbedarftheit, es handle sich bitte, bitte um Obdachlose mit gewissem Witz.

Elefant im Raum

Was das Publikum von Beginn an kommen sieht, dafür bleibt der hibbelige Haarwasserfabrikant auf erschreckende Weise blind. Wie ein Verwandter des verblendeten Monsieur Orgon aus Molières Tartuffe kneift auch Herr Biedermann vor dem sprichwörtlichen Elefanten im Raum die Augen zu und verfällt aus Angst und Opportunismus in eine verhängnisvolle Unterwürfigkeit. Diese wird von den beiden Übeltätern – Alexander Hetterle als Schmitz und Sebastian Hufschmidt als Eisenring – nach Strich und Faden ausgenützt.

Zwischen den Szenen versucht ein weiser Chor rostroter Feuerwehrmänner, die alle jahreszeitgerecht Halloween-Gesichter tragen (Kostüme: Angelika Rieck), zu retten, was noch zu retten ist, und das ist de facto nichts. Auch die überdeutlichen Warnungen ("Zündschnur!", "Holzwolle!") schlägt Biedermann in den Wind. Selbst die mit mehr Realitätssinn ausgestattete Gattin (Angela Waidmann) vermag es nicht, den in seiner Gastgeberrolle immer absurdere Pirouetten drehenden Hausherrn vor seiner zwanghaften Blindheit zu schützen.

Eine Vogel-Strauß-Politik

Mit dieser Blindheit meinte Autor Frisch 1958, als das Stück uraufgeführt wurde (davor existierte es als Hörspiel), ganz generell die Ignoranz vor drohenden Gefahren, eine Vogel-Strauß-Politik. Man kann sie gegenwärtig auf mehrerlei beziehen, von der Kriegstreiberei bis zur Klimakrise.

Am Landestheater schaut man dem Pingpongspiel zwischen den Angstmachern und Angsthabern gerne zu, wiewohl den Premierenabend spürbar Temposchwächen und Redundanzen erfasst hatten. Auch wirkte die Figur der beflissenen Hausdienerin in Livree (Charlotte Kaiser) samt ihrer geradlinigen Devotheit seltsam altmodisch. Es gelingt ihr aber, den in seiner Anbiederung an die gefährlichen Hausierer alle bürgerliche Contenance fahren lassenden Fabrikanten blöd dastehen zu lassen.

Während schon Rauch hereinzieht und die Sirenen heulen, versucht dieser armselige, mit der Nase auf die unschöne Realität gedrückte Biedermann beim Abendessen den künftigen Attentätern noch gut Freund zu sein und stuft sich tischkulturell vermeintlich zu ihnen hinunter. Autsch! (Margarete Affenzeller, 2.11.2022)