Es verhieß das größte polit-mediale Spektakel des Jahres zu werden. Und dann war die Ernüchterung groß: Die nächste Offenbarung von Thomas Schmid blieb im U-Ausschuss aus. Er kam, um zu sagen, er wolle nichts sagen. Der politische Kronzeuge in der österreichischen Causa prima berief sich auf das Aussageverweigerungsrecht – und zog wieder von dannen.

Das ist unbefriedigend – und es schadet seiner Glaubwürdigkeit, wenn er unter Wahrheitspflicht nicht aussagen will. Es ist aber irrelevant für das große Ganze. Es liegen auch ohne seine Befragung im Parlament ausreichend Fakten dafür auf dem Tisch, wie verlottert die ÖVP zumindest war – und mit ihr wohl ein Teil der ganzen Nation.

Juristisch sind die zahlreichen Korruptionsvorwürfe noch nicht geklärt, aber das Bild, das die Kanzlerpartei von sich selbst gezeichnet hat, wurde über die vergangenen Monate hinweg immer kompletter. Dafür braucht es keine Kommentierung durch Schmid, auch wenn sie interessant gewesen wäre. Die rechtliche wie auch politische Kernproblematik ist schwarz auf weiß in Chats nachzulesen. Da kann das türkise Lager Schmid noch so oft einen Lügner schimpfen, daran wird sich nichts ändern.

Thomas Schmid schwieg im U-Ausschuss.
Foto: REUTERS/ LEONHARD FOEGER

Demokratiepolitisch tragisch ist an all dem Abfall, den es seit Monaten Stück für Stück nach oben spült, dass es für viele Menschen jenes Vorurteil bestätigt, das der Politik ohnehin längst anhaftet: dass es sich die Mächtigen richten. Und es lässt sich da kaum widersprechen.

"So bin ich nicht, so sind wir nicht"

Kanzler Karl Nehammer argumentiert nun: "So bin ich nicht, so sind wir nicht." Er beruft sich damit auf ein Zitat von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der nach Aufkommen der Ibiza-Affäre ausrief, dass wir so nicht seien. Alles, was seither ans Licht kam, zeigt aber – und es geht um zu viel, um freundlich zu heucheln: Genau so sind wir leider. Natürlich nicht alle. Aber offenbar viel zu viele unter jenen, die auf mächtigen Posten sitzen; viel zu viele Entscheidungsträger, und das gewiss nicht nur bei der ÖVP; zu viele Unternehmer und politische Trittbrettfahrer. Und auch Journalisten sind vor Packelei nicht gefeit.

Die Auswertung des Handys von Schmid hat einen Abgrund sichtbar gemacht, dessen wahre Tiefe sich nicht bemessen lässt. Es ist undenkbar, dass der Datenträger, auf den die Staatsanwaltschaft bei Schmid gestoßen ist, alle Skandale der Republik auf sich vereint. Im Verborgenen liegt irgendwo mehr.

Ist Schmid nun aber weniger zu trauen, weil er sich dem Parlament verwehrt? Vielleicht. Er selbst argumentiert, dass seine Befragung durch die Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen sei – und er sich selbst nicht belasten wolle. Doch sein Geständnis gegenüber den Ermittlern hat die Hauptstränge der Korruptionscausen lediglich bestätigt, nicht aufgebracht. In der Inseratenaffäre geht es darum, wer verantwortlich ist – nicht darum, ob es sie gab.

Schmid hat der Republik ohne sein Wollen zu einer traurigen Sicherheit verholfen: Österreich braucht politische Katharsis – eine Läuterung durch strenge Korruptionsgesetze und die Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Das allein wird aber nicht reichen. Wir müssen diskutieren, wie Bürger der Politik, den Medien und staatlichen Institutionen wieder vertrauen können. Und vielleicht sollten alle, die sich mächtig fühlen, einmal in sich gehen und ihr Tun reflektieren – oder wie Schmid auf die Mama hören. (Katharina Mittelstaedt, 3.11.2022)