Die herbstliche Paarungszeit der Hirsche macht sie besonders aktiv – was bei vermehrtem Verkehr nach Sonnenuntergang gefährlich werden kann.
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Die Umstellung von der regulären Winterzeit auf die Sommerzeit und zurück sorgt seit ihrer ersten Vorschreibung für Diskussionen: Offiziell eingeführt – und später immer wieder abgeschafft – wurde sie in Österreich-Ungarn und in Deutschen Reich erstmals während des Ersten Weltkriegs, im Jahr 1916. Insbesondere das Argument, die Sommerzeit würde Energie sparen, schrieb während der Ölkrise der 1970er-Jahre das jährlich zweifache Umstellen der Uhren fest.

Heute springen viele Digitalanzeigen automatisch um, nur noch die eine oder andere Uhr am Backofen dürfte nach der Umstellung am vergangenen Sonntag noch immer die falsche Zeit anzeigen (oder seit einem halben Jahr endlich wieder die korrekte). Dennoch kritisieren beispielsweise Chronobiologen und Schlafforscherinnen, dass die Umstellung den Tagesrhythmus durcheinanderbringe. Dies sorge insbesondere beim Wechsel zur Sommerzeit nicht nur für ein höheres Unfallrisiko für Kinder auf dem Weg zur Schule. Unausgeschlafene Menschen sind auch weniger empathisch, nach der Uhrenumstellung im Frühjahr sinkt etwa die Spendenbereitschaft signifikant, wie eine Studie vor einigen Monaten zeigte.

Mehr Kollisionen

In einer weiteren Forschungsarbeit sprechen sich nun Fachleute für das ganzjährige Beibehalten der Sommerzeit aus. Diese dürfte nämlich auch für die Tiere in unserer Umgebung besser zu verkraften sein. Wie ein US-Team im Fachjournal "Current Biology" schreibt, ließen sich so rund 2,3 Prozent der Zusammenstöße zwischen Hirschen und Fahrzeugen vermeiden.

Dies liegt daran, dass es im Herbst nach der Uhrenumstellung gewissermaßen früher dunkel wird – und mehr Menschen nach Sonnenuntergang unterwegs sind, ob zu Fuß oder auf Rädern. Betrachtet man die Wildtier-Unfallstatistik, steigt allein in der ersten Woche der Winterzeit die Zahl der Kollisionen von Fahrzeugen mit Hirschen um 16 Prozent, heißt es in der Studie.

Gefährliche Paarungszeit

Je stärker sich Aktivitäten von Mensch und Hirsch im Dämmerlicht überschneiden, desto größer ist das Risiko eines Zusammenstoßes. Das ist vor allem im Herbst riskant. Denn Hirsche und verwandte Wildspezies, die ohnehin in der morgendlichen und abendlichen Dämmerung besonders aktiv sind, haben ihre Paarungszeit im September und Oktober. In diese Brunftzeit fällt mitunter auch unsere Umstellung auf die Winterzeit. Wie die Auswertung der Fachleute ergab, kommt es nach Sonnenuntergang 14-mal häufiger zu Kollisionen als zwei Stunden vor dem Sonnenuntergang.

Entsprechend sei es also besser, dauerhaft bei der Sommerzeit zu bleiben und den regelmäßigen Wechsel abzuschaffen – obwohl eigentlich die Winterzeit als reguläre Uhrzeit gilt. Auch Fußgänger wären dadurch besser geschützt, einer älteren Studie zufolge könnten so allein in den USA rund 170 Todesfälle jährlich vermieden werden.

Europäische Änderung

Ob es in der Europäischen Union in absehbarer Zeit zu einer permanenten Abschaffung der Umstellung kommt – und ob man sich dann auf Sommer- oder Winterzeit einigen würde –, ist derzeit allerdings noch offen. Zwar ließ die EU vor wenigen Jahren eine Umfrage zum Thema durchführen, allerdings antwortete weniger als ein Prozent der Bevölkerung, darunter vor allem Menschen aus Deutschland und Österreich. Prinzipiell stimmte das EU-Parlament 2019 gegen die Zeitumstellung und schlug vor, basierend auf der Winterzeit vier statt der bisherigen drei Zonen in Europa festzulegen.

Seitdem hat sich wenig getan. Der Europäische Rat müsste den Vorschlag besprechen und wartet auf eine Folgenabschätzung der EU-Kommission. Diese hingegen verlangt zunächst eine gemeinsame Position, die der Rat festlegen müsse. Wie auch immer sich die Entscheidung letztlich gestaltet: Bisher dürfte wenig dafür sprechen, dass die Umstellung auf die Sommerzeit tatsächlich Energie spart. (Julia Sica, 4.11.2022)