Donald Trump gefällt sich in der Rolle als Pate der Republikaner, kommentiert Karl Doemens.

Foto: AP / Michael Conroy

Nein, er hat es nicht gesagt. Jedenfalls nicht direkt. Nach einer fast zweistündigen Rede voller Lügen, Eigenlob und Verleumdungen setzte plötzlich sülzige Geigenmusik ein bei Donald Trumps Rede zum Wahlkampfabschluss in Ohio. Es klang wie die pathetische Geräuschkulisse zu der von einigen Auguren erwarteten Ankündigung seiner erneuten Kandidatur. Doch stattdessen nutzte der Ex-Präsident die öffentliche Aufmerksamkeit für eine apokalyptische Jammer-Litanei über den Niedergang des Landes, um dann eine "sehr große Ankündigung" für den Dienstag nächster Woche anzukündigen.

So bizarr die Inszenierung war: Nach dem Auftritt von Trump in Ohio kann kein Zweifel mehr daran bestehen, dass der 76-Jährige erneut antreten und um eine Rückkehr ins Weiße Haus kämpfen wird. Zu deutlich war das gekränkte Ego des Narzissten, zu pathetisch die musikalische Umrahmung der Rede, zu offensichtlich die Rolle des Paten der republikanischen Partei, in der sich Trump gefiel. Genüsslich zählte er sämtliche Kandidaten der heutigen Zwischenwahlen auf, die von ihm unterstützt wurden (und ihm in seiner Logik deshalb ewige Loyalität schulden) und nötigte selbst den Gouverneur von Ohio, Mike DeWine, der ihn kritisiert hatte, gönnerhaft auf die Bühne.

Nagende Niederlage

Er werde noch nicht verkünden, was er nächste Woche zu sagen habe, um "nicht von den Midterm-Wahlen abzulenken", sagte Trump – eine taktische Rückversicherung, um nicht in Haftung genommen zu werden, falls der Erfolg der Republikaner am heutigen Dienstag dann doch nicht so groß ausfällt. Doch an der Intention des Mannes kann kein Zweifel bestehen. Zu sehr nagt an ihm die Niederlage des Jahres 2020. Zu sehr ärgert ihn die zunehmende Beschäftigung der Öffentlichkeit mit potentiellen Gegenkandidaten wie dem Gouverneur von Florida, Ron DeSantis. Und zu groß ist die Versuchung, sich durch eine Kandidatur gegen die unzähligen juristischen Anfechtungen zu immunisieren.

Den Republikanern hat Trump mit seinem fast sakralen Auftritt unmissverständlich klargemacht, wer bei ihnen der Herr im Haus ist. Nicht alle dürften darüber glücklich sein. Denn mit der Ego-Show vor dem demonstrativen Trump-Flugzeug hat der Ex-Präsident auch allen Wählern überdeutlich demonstriert, was sie bekommen, wenn sie die Republikaner wählen: Einen Möchtegern-Autokraten, der Journalisten ins Gefängnis werfen will, wenn sie ihre Quellen nicht preisgeben. Einen Choleriker, der die Verspätungen an Flughäfen als Zeichen des Niedergangs der Nation wertet. Und einen Unsympath, der die Chefin der Demokraten, Nancy Pelosi, deren Mann fast ermordet wurde, ein "Tier" nennt.

Hoffen für Amerika

Trumps fanatische Anhänger wird das nicht stören. Aber den einen oder anderen Konservativen, der aus Frust über die handwerklichen Fehler der Biden-Regierung, die nervige linke Identitätspolitik oder die drückende Inflation sein Kreuz bei den Republikanern machen wollte, vielleicht schon.

Viele Rennen sind knapp. Wenn Trump unfreiwillig auch nur ein paar tausend Wähler zum Nachdenken gebracht hätte, könnte das einiges bewirken. Ob das wahrscheinlich ist? Man kann es für Amerika nur hoffen. (Karl Doemens, 8.11.2022)

Am Dienstag finden in den USA die Zwischenwahlen statt. Auch ehemalige Präsidenten sind im Einsatz. Biden und Obama warnen vor Desinformation. Trump spricht von "Todesstrafen" für Drogendealer







DER STANDARD