Wütende Menschen, deren Aggressivität ihr Maß an Selbstkontrolle übersteigt, reagieren sich mitunter durch das mehr oder weniger gezielte Werfen von Gegenständen ab. Dabei ist schon so manches Stück Geschirr zu Bruch gegangen. Im schlechtesten Fall ist das gegen andere Personen gerichtet.

Bei australischen Kraken wurde nun – erstmals für diese Gattung – ein ganz ähnliches Verhalten beobachtet. Nur kommt bei diesen Tieren nicht Geschirr zum Einsatz, sondern Muscheln, Schlick und kleine Steinchen. Stellt sich die Frage, ob das als Zeichen besonderer Intelligenz oder doch eher mangelnder Selbstbeherrschung zu werten ist.

Für die Intelligenzhypothese spricht, dass gezieltes Werfen von Zoologinnen bisher nur bei wenigen und intelligenten Tierarten wie Schimpansen und Delfinen beobachtet wurde.

Science X: Phys.org, Medical Xpress, Tech Xplore

Oktopoden sind von Haus aus nicht nur intelligent, sondern auch ziemlich unsozial: Sie jagen alleine und fressen sich gelegentlich sogar gegenseitig auf. In der Jervis Bay im Südosten Australiens leben ziemlich viele Vertreter der Krakenart Octopus tetricus auf recht engem Raum zusammen. Und das könnte die Einzelgänger allem Anschein nach grantig machen.

"Werfen" mit dem Wasserstrahl

Diese Oktopodenart, die auch als gemeine (im Sinn von gewöhnliche) Sydneykrake bekannt ist, schleudert nämlich gar nicht so selten Schlamm, Muscheln und Algen durch das Wasser, indem sie einen Wasserstrahl aus ihrem Siphon erzeugt. Dieses Verhalten ist nicht selten gegen andere Individuen gerichtet – wobei das Material oft sein Ziel findet, wie Peter Godfrey-Smith (Uni Sydney) mit einem internationalen Team berichtet.

A: Krake (links) schleudert Schlick und Seetang durch das Wasser. B: Ein Krake (rechts) wird von einer Schlickwolke getroffen, die von einem werfenden Kraken durch das Wasser geschleudert wird. C: Muscheln, Schlick, Algen oder ein Gemisch davon werden zur Vorbereitung der Attacke in den Armen gehalten. D: Der Siphon wird über den hinteren Arm und unter dem Steg und der Armkrone zwischen dem hinteren Armpaar (Arme R4 und L4) nach unten gebracht, und das Wasser wird mit Gewalt durch den Siphon gezielt ausgestoßen.
Godfrey-Smith et al., 2022, PLoS One 2022, Illustrationen von Rebecca Gelernter

Bei der Untersuchung von rund 24 Stunden Videomaterial beobachteten die Forschenden 102 Fälle von Krakenattacken. Aufgrund des Positionswechsels des Siphons wurde das Wurfverhalten als absichtsvoll eingestuft. Ein Wurf wurde immer dann als Treffer verbucht, wenn ein anderer Krake durch die Bewegung der geworfenen Materialien irritiert wurde. Die Schläge wurden in vielen Fällen von leichten Aggressionen begleitet, wie zum Beispiel Armtasten und Grapschen.

Vermutete Erklärung

Eine eindeutige Erklärung für das Verhalten konnten die Forschenden zwar nicht liefern, wie Ko-Autor David Scheel eingesteht. Sie vermuten aber, dass diese Wurfattacken den Tieren helfen könnten, mit der Tatsache zurechtzukommen, dass es an diesem Ort so viele andere Artgenossen gibt.

Wie das Team im Fachblatt "PLoS One" zudem schreibt, wurden keine Vergeltungsaktionen beobachtet, bei denen ein Krake etwas auf den ursprünglichen Werfer zurückwarf. Und es wurde auch nicht beobachtet, dass ein erfolgreicher Treffer zu einem Kampf eskalierte. Was beim Menschen mitunter schon vorkommen kann. (tasch, 11.11.2022)