Die rote Karte ist bei Großereignissen Schiedsrichtern aus dem Ausland vorbehalten.

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Robert Schörgenhofer hatte eine Karriere als Schiedsrichter.

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Robert Sedlacek hat kein Netzwerk.

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Österreichs Schiedsrichter boykottieren die Fußball-WM in Katar. Natürlich nicht freiwillig oder aus moralischen Gründen, der Weltverband Fifa pfeift bei Großereignissen auf die heimischen Unparteiischen. Zuletzt war Günter Benkö 1998 im Einsatz, es war übrigens auch die letzte WM-Teilnahme für das Nationalteam, aber das fällt unter die Rubrik Zufall. Okay, Konrad Plautz durfte bei der EM 2008 dabei sein, das wiederum war ein Zugeständnis des europäischen Verbandes an den Co-Gastgeber neben der Schweiz.

Robert Sedlacek, einst selbst Referee, ist seit 2015 beim Fußballbund ÖFB zuständig fürs Schiedsrichterwesen. Zudem ist er Wiener Verbandspräsident, beide Funktionen übt er ehrenamtlich aus. Es sagt dem STANDARD: "Wir sind nicht vernetzt, spielen im Elitebereich keine Rolle. Es ist halt alles ein Drahtseilakt. Aber heutzutage soll man gar nicht vernetzt sein, sonst gerät man gleich ins schiefe Licht."

Probleme

In der Branche kriselt es, die heimischen Schiedsrichter fühlen sich mitunter im Stich gelassen, beklagen das schlechte Coaching, es gebe keine Leistungsanalyse, Fehler würden unter den Tisch gekehrt. Der Videoassistent VAR sei nur bedingt eine Unterstützung, lediglich beim Abseits funktioniere er, ansonsten vermisse man exakte Vorgaben. Sedlacek streitet das gar nicht ab. "Vor allem beim Handspiel haben wir Probleme. Anderseits ist es schon so, dass wir Fehler zugeben." Es gab zuletzt vermehrt Kritik von Trainern oder Sportdirektoren. "Mittlerweile ist in der Liga offenbar der VAR der Böse."

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Illusion

Der Ruf nach Professionalisierung ist übrigens gar nicht so laut. In Österreich wird nebenberuflich, also in der Freizeit, gepfiffen. In England oder Spanien sind die Männer und ein paar Frauen hauptberuflich tätig, ein Jahreseinkommen von bis zu 200.000 Euro ist möglich. Hierzulande bekommt man für ein Bundesligaspiel 1350 Euro brutto, die Assistenten kassieren je 675. Zum Vergleich: In der Champions League beginnt es bei 5500 Euro. Für das Schiedsrichterwesen sind die nationalen Verbände zuständig. Die Premier League investiert eben, mietet die Leute quasi an. Sedlacek: "Würde die Bundesliga acht Millionen bereitstellen, könnte man über Profis reden. Aber das ist völlig illusorisch."

Es fehlt die Lobby. Und vielleicht die Klasse. Mittlerweile dürfen Männer aus Aserbaidschan oder Montenegro in der Champions League wichtig sein, der ÖFB darf die Europa League beschicken. Conference League geht natürlich auch.

Robert Schörgenhofer war der Letzte, der in der Königsklasse engagiert war. Das ist ein Jahrzehnt her. Chelsea und den FC Barcelona durfte er dirigieren. "Daran erinnert man sich gern." Vor zwei Jahren hat der Vorarlberger aus Altersgründen auch auf nationaler Ebene aufgehört, mit spätestens 48 ist Schluss. Er war und ist ÖBB-Fahrdienstleiter und fährt gut damit. "Man muss ja von etwas leben, braucht eine Ausbildung." Warum er einst Schiedsrichter geworden ist? "Ich habe selbst Fußball gespielt und in einer Partie eine völlig lächerliche rote Karte kassiert. Das war mein Antrieb, ich wollte für Gerechtigkeit sorgen. Mir ging es sicher nicht um Macht." Es gehe in diesem Job darum, "möglichst wenig Fehler zu machen".

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Fehlende Rückendeckung

Auch Schörgenhofer vermisste zeitweise die Rückendeckung durch den ÖFB. "Man war schon auf sich alleine gestellt. Ich war halt zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort, das war nicht dem System, sondern dem Zufall geschuldet." Generell seien die österreichischen Schiedsrichter "aber gar nicht so schlecht". Den VAR hat Schörgenhofer nur am Rande erlebt, nach der ersten Einschulung war er nur mehr Fahrdienstleiter. "Man hat das System noch nicht im Griff."

Sedlacek sagt, ihm seien die Hände gebunden. Circa 30 Personen dürfen Profipartien pfeifen, sieben davon auch international. Halt nicht bei großen Endrunden oder in der Champions League. "Der Fußball verändert sich dauernd, da kommt man in manchen Bereichen nicht ganz mit. Es ist schön, Schiedsrichter zu sein, aber man darf sich nicht zu viel erwarten. Natürlich wollen wir besser werden."

Wahrscheinlichkeit

Schörgenhofer lehnt sich nicht weit aus dem Zugfenster, wenn er sagt: "Es wird auch bei der EM 2024 in Deutschland keinen österreichischen Schiedsrichter geben." Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Nationalteam qualifiziert, scheint deutlich höher zu sein. Apropos Nationalteam. Ralf Rangnick versammelt am Montag seinen Kader in Marbella. Am Mittwoch wird in Malaga gegen Andorra getestet, am Sonntag in Wien gegen Italien. Es pfeifen ausländische Schiris. (Christian Hackl, 14.11.2022)