Sebastian Kurz beim ÖVP-Parteitag in Graz 2022.

Foto: Standard/Corn

Unter Sebastian Kurz hatte das Kanzleramt bekanntlich weitreichende Pläne, vom Kleinen bis ins Große. Viel Energie gesteckt wurde etwa in eine Modernisierung des Besuchermanagements, also in den Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern, die sich das Kanzleramt anschauen möchten. Unterlagen aus dem U-Ausschuss zeigen, dass der Kanzler höchstpersönlich Ideen hatte, und auch von externen Beratern wurden Studien zugekauft – Accenture präsentierte etwa ein Konzept für rund 170.000 Euro.

Viel daraus geworden ist allerdings nicht: Wer sich heute das Organigramm des Kanzleramts ansieht, entdeckt, dass exakt null Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im "Besuchermanagement" beschäftigt sind. "Das Referat ist unbesetzt", bestätigt das Kanzleramt auf Anfrage.

Vorstellungen des Kanzlers

Was war passiert? Rasch nach der Übernahme des Kanzleramts durch die türkise ÖVP plante man dort, ein Besucherzentrum aufzubauen. In E-Mails ist die Rede von den "vom Herrn Bundeskanzler geäußerten Vorstellungen" und von Angeboten von Agenturen für ein sogenanntes Planspiel, das Schülergruppen absolvieren können. Abgesprochen wurde das auch mit zwei engen Vertrauten von Kurz, seiner Social-Media-Chefin Kristina Rausch und seinem langjährigen Kabinettschef Bernhard Bonelli.

Mit dem Projekt betraut wurden offenbar keine Beamten in der "Linie", vielmehr wurde dem Vernehmen nach im Büro des damaligen Regierungssprechers ein neues Team aufgesetzt – dem Vernehmen nach vor allem mit Funktionären aus der JVP, die mit üppigen Sonderverträgen ausgestattet worden sein sollen. Merkwürdig ist das deshalb, weil im Bundeskanzleramt natürlich bereits eine Abteilung "Protokoll und Veranstaltungen" existierte, die beispielsweise den "Tag der offenen Tür" organisierte.

Umbauten und Änderungen

Im Frühjahr 2019 kam es dann zu großflächigen Umbauten im Kanzleramt. Das diente wohl auch dazu, einige Stellen neu besetzen zu können: Beispielsweise wurde die Leitung jener Sektion ausgeschrieben, die bislang eine einstige Kabinettschefin von Werner Faymann (SPÖ) geleitet hatte. Im Zuge der Organisationsreform, die zeitlich auch mit dem Ibiza-Video und dem Ende der ersten Kanzlerschaft Kurz zusammenfiel, wurde das Besuchermanagement dann doch innerhalb der "Linie" etabliert.

Und sie erhielt einen damals einigermaßen berühmten Chef: nämlich den aus der Schredder-Affäre bekannten Kurz-Mitarbeiter Arno M., der dazu später im U-Ausschuss befragt wurde. "Besuchermanagement bedeutet: interessierte Bürgerinnen und Bürger, die das Bundeskanzleramt besuchen möchten, dort eine Führung bekommen, sich das Ganze anschauen und einen Blick hinter die Kulissen werfen können", erklärte M. den Abgeordneten. In die Vorbereitungshandlungen zum Besuchermanagement soll M. nicht involviert gewesen sein.

Zwischen Mai 2019 und Dezember 2021 fielen laut Kanzleramt jedenfalls Personalkosten in der Höhe von 288.000 Euro für das Besuchermanagement an; gemäß Unterlagen aus dem U-Ausschuss gab es auch Beschaffungsvorgänge von mehr als 90.000 Euro, etwa für Virtual-Reality-Brillen. Viele Monate dieser Zeit verbringt Österreich im Lockdown. Doch als man bei der Corona-Pandemie langsam Besserung erhoffen kann, wird plötzlich das Besuchermanagement aufgelassen. Mit der Übernahme der Kanzlerschaft durch Karl Nehammer im Dezember 2021 verlässt Arno M. das Referat, er ist nun unter anderem im Kabinett von Claudia Plakolm. Seither hat das "Besuchermanagement" gar keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr: Es ist nur mehr ein Relikt aus der Ära Kurz. (Fabian Schmid, 16.11.2022)