Michael Tojner und dessen Heumarkt-Projekt standen am Freitag im Zentrum des sogenannten Chorherr-Prozesses. Tojner sagte aus, dass er dazu mit allen Parteien Kontakt gepflegt habe.

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Kaum hatte die Verhandlung begonnen, wäre sie fast auch schon wieder vorbei gewesen. Am Freitag setzte der Vorsitzende Richter Michael Tolstiuk den Prozess gegen den früheren Grünpolitiker Christoph Chorherr fort. Doch statt den Hauptangeklagten weiter zu befragen, erörterte er ein anderes überraschendes und sensibles Thema. Einer der zehn Ersatzschöffen warf dem beisitzenden Richter in einer Niederschrift Vorverurteilung vor. Auf die Frage, wie lange das Verfahren dauern werde, habe dieser den Schöffen geantwortet: "So lange, bis alle verurteilt sind".

Befangenheitsdebatte

Der beisitzende Richter stellt das in Abrede. Also wurden beide Hauptschöffinnen und alle zehn Ersatzschöffen nach ihren Wahrnehmungen dazu befragt. Die einen bestätigten den Satz, die anderen konnten sich nicht erinnern, und wieder andere interpretierten die Worte des Beisitzers anders, nämlich als unverfängliche Erklärung.

Worum es geht: Die Befangenheit eines Richters kann zu einer Wiederholung des Verfahrens führen. Wobei laut Gesetz schon der Anschein der Befangenheit reicht; also wenn Gründe vorliegen, die die "volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Richters in Zweifel ziehen". Die Empörung unter den rund dreißig Anwälten war groß. Allesamt stellten sie den Antrag auf Ausschluss des Beisitzers. Der Richtersenat (die zwei Hauptschöffinnen, Vorsitzender Richter und besagter Beisitzer) wies die Ablehnungsanträge jedoch zurück.

Es habe sich wohl um ein Missverständnis gehandelt, sagte Tolstiuk sinngemäß. Mit eineinhalbstündiger Verspätung wurde Chorherrs Befragung dann fortgesetzt. Der hatte sich, wie auch alle anderen Angeklagten, am Dienstag nicht schuldig bekannt. Danach schilderte er unter anderem seine Beziehung zu den Mitangeklagten.

Der Heumarkt

Am Freitag ging es vor allem um eines der Immobilienprojekte, bei denen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eine durch Spenden bedingte Korruption vermutet: Tojners Immobilienprojekt am Heumarkt. Dessen Bau hat noch immer nicht begonnen, weil es den Status der Wiener Innenstadt als Weltkulturerbe gefährdet.

Chorherr sagte aus, dass es für die Wiener Vizebürgermeisterin, Planungsstadträtin und Grünen-Chefin Maria Vassilakou damals ums "politische Überleben" gegangen sei. Grün-intern sei es "ziemlich zugegangen", eine knappe Mehrheit im grünen Klub hat sich gegen das Projekt ausgesprochen, Vassilakou hat es aber mit Chorherrrs Unterstützung fortgeführt.

Nach Chorherr wurde dann Tojner befragt. Er betonte, dass er in puncto Heumarkt zu allen Parteien Kontakt gepflegt habe. Chorherr sei da "nicht unter den Top fünf der relevantesten" Entscheidungsträger gewesen, dazu hätten vielmehr der damalige Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und Vassilakou gezählt. Die Spenden an Chorherrs Verein hätten gar nichts mit dem "extrem langwierigen Heumarkt-Projekt" zu tun gehabt, beteuerte Tojner, der zunächst geschildert hatte, wie viel und wofür er sonst noch spende.

Intervention bei Dichand

Warum ein Mitarbeiter ihn daran erinnerte, "bei Widmung" zu spenden? Es habe sich um keine politische Klimapflege gehandelt, antwortete Tojner. Viel Erklärungsbedarf ergab sich für Tojner aus seinen eigenen Mails, die im Rahmen eines anderen Verfahrens sichergestellt wurden. Da ging es etwa um Lobbying, Interventionen pro Chorherr bei Krone-Chef Christoph Dichand und Einladungen. Seinen Geschäftspartner Wilhelm Hemetsberger, der von den Angeklagten am meisten für Chorherrs Verein spendete, sieht Tojner als den wahren Gründer der Ithuba-Schulen in Südafrika. 2018, nach Auffliegen der Affäre, habe er nur gespendet, damit die Schulen nicht zusperren müssen. (Renate Graber, Fabian Schmid, 18.11.2022)