Jetzt ist sie also da, die sogenannte Über- oder Zufallsgewinnsteuer. Viele österreichische Energieunternehmen fahren aufgrund des Ukraine-Krieges geradezu sagenhafte Profite ein. Nun müssen sie, heuer und im kommenden Jahr, einen Teil davon an den Finanzminister abliefern. Die Einnahmen von zwei bis vier Milliarden Euro werden dazu beitragen, die staatlichen Hilfsprogramme zu finanzieren, die die Menschen vor den Folgen hoher Energiepreise bewahren sollen.

Die Maßnahme ist richtig und wichtig. Die derzeitigen Preissprünge bei Energie sind beispiellos. Die Inflationsrate – untrennbar mit den Energiekosten verbunden, weil zum Gutteil von ihnen ausgelöst – erreicht Höhen wie seit den 1950er-Jahren nicht mehr. Angesichts dieser Lage muss die Regierung viel Geld in teure Hilfspakete stecken. In dieser Ausnahmesituation ist es zulässig, dass eine Branche, die sich übermäßiger Gewinne erfreut, temporär ihren Teil zur Lösung der Krise beisteuert. Immerhin resultieren diese Gewinne nicht aus eigener Leistung, nicht aus klugen unternehmerischen Entscheidungen, sondern schlicht aus der weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Lage.

Die derzeitigen Preissprünge bei Energie sind beispiellos.
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All das bedeutet aber keineswegs, dass die Übergewinnsteuer der türkis-grünen Regierung einen großen Wurf darstellt. Im Gegenteil, diese hat die mickrige Variante gewählt. Es ist ein Steuerchen geworden, keine Steuer.

Die Übergewinnsteuer ist kein österreichisches Projekt, sondern eines der EU. Deren Staats- und Regierungschefs verständigten sich Anfang Oktober auf eine Art Minimalvariante der Steuer. Die Mitgliedsstaaten müssen sie nun bis Jahresende einführen – und können sie je nach Gutdünken strenger gestalten.

Investitionsbegünstigung

Ebendiese Verschärfung findet in Österreich kaum statt. Zwar fällt Österreichs Übergewinnsteuer in einigen Punkten etwas strikter aus als die Brüsseler Vorgabe; beispielsweise beträgt der Steuersatz 40 statt 33 Prozent. Dennoch: Es wäre viel mehr drin gewesen – bei der Höhe der Steuersätze, bei der Laufzeit, bei der Frage, welche Unternehmen unter das Regime der Steuer fallen.

Vor allem aber: Für all jene Unternehmen, die in erneuerbare Energien investieren, gelten nicht einmal die minimalen österreichischen Verschärfungen, sondern lediglich die Brüsseler Mindestvorgaben. Die Details dieser Investitionsbegünstigung sind noch ausständig, aber schon heute ist klar: Der Großteil der Unternehmen wird wohl in ihren Genuss kommen.

Zumindest diese Begünstigung hätte sich die Regierung sparen sollen. Nicht nur bliebe den Unternehmen auch bei einer strenger gestalteten Übergewinnsteuer genug Geld zum Investieren. Auch scheitert der dringend notwendige Ausbau erneuerbarer Energien in Österreich keineswegs am fehlenden Geld, sondern an politischen und gesetzlichen Blockaden, in den Bundesländern genauso am Widerstand vieler Wirtschaftsvertreter in der ÖVP. Die Regierung schiebt also den mangelnden Fortschritt bei den Erneuerbaren vor – an dem der Seniorpartner ÖVP selbst die Hauptschuld trägt –, um die Übergewinnsteuer zu verwässern.

Kein Wunder also, dass die Aktien großer österreichischer Energieunternehmen wie des Verbundkonzerns nach Präsentation der Steuer am Freitag sogleich hochschnellten. Sie wurden von der Regierung nämlich äußerst schonend behandelt. (Joseph Gepp, 18.11.2022)