Lionel Messi vor der Skyline von Doha – für die argentinischen Fans ist klar, wer der Weltmeisterschaft in Katar ein Gesicht geben wird.

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Schon die Lackierung des Fliegers, der die argentinische Nationalmannschaft an den Golf brachte, verkündete es der Welt. Ein jubelnder Lionel Messi, fünf Meter höher als die lebende Legende selbst es ist, war da, flankiert von den deutlich dezenter gehaltenen Kollegen Angel Di Maria und Leandro Paredes, zu sehen. Gelöst lächelte Argentiniens leibhaftiger Superstar, obwohl der Flieger aus Abu Dhabi erst weit nach Mitternacht in Doha gelandet war. Schlafen kann "La Pulga", der Floh, schließlich auch, wenn er Weltmeister ist.

Und nur darum geht es für die Albiceleste, die kaum ein Experte nicht zu einem hohen Favoriten erkoren hat. Der Größte der Geschichte, wie viele ihn bereits sehen, soll im Alter von 35 Jahren endlich den Thron besteigen, bevor er die Schuhe in nicht allzu ferner Zukunft an den Nagel hängt. Das Drehbuch ist längst geschrieben, wurde aber in bisher vier Weltmeisterschaften nicht realisiert.

Messi selbst, der seine fünfte zu seiner letzten WM erklärt hat, übt sich in Zurückhaltung. "Wir sind in guter Form", sagte er dem TV-Sender Movistar in einem seiner seltenen Interviews: "Wir dürfen nicht dem Wahnsinn der Leute verfallen und glauben, dass wir Weltmeister werden. Wir müssen Schritt für Schritt gehen."

Genussprojekt

Er kennt den Druck aus der Heimat, seit er 2005 für die Nationalmannschaft debütierte. Messi fühlte auch den Schmerz verlorener Finale. Doch nach 18 Jahren im Geschäft ruht der Familienvater auch schon in sich. Die WM komme zu einer Zeit, "in der ich gelernt habe, anders zu leben", sagt er: "Ich genieße sie auf eine andere Art und Weise. Ich genieße alles mehr."

Der Moment dürfte also mehr als günstig sein. Die Generalprobe am vergangenen Mittwoch bei den Vereinigten Arabischen Emiraten, die der Favorit mit 5:0 gewann, war über weite Strecken ein Beispiel argentinischer Lockerheit. Von Messi, der einen Treffer selbst erzielte und ein Tor vorbereitete, ging viel Gefahr aus. Wie so oft schlug er seine Haken und sah dabei aus wie ein jüngerer Mann.

Bevor am Dienstag (11 Uhr MEZ) in Lusail Saudi-Arabien in der Gruppe C zum Auftakt bittet, erscheint Argentinien also wie ein Team, das am 18. Dezember im Finale stehen könnte. Doch selbst die Vorrunde wird zumindest herausfordernd, da neben den Saudis noch Mexiko und Polen um Robert Lewandowski warten, der Messi beim FC Barcelona trotz vieler Tor nicht vergessen machen wird. Im Achtelfinale könnte gar Weltmeister Frankreich auf die Argentinier warten.

Die Fans der Albiceleste kann das kaum beeindrucken, sie sind schon in Feierlaune. Mehr als 500 von ihnen, teils Anhänger aus Indien und teils aus Südamerika angereist, schlugen sich an der Unterkunft des Weltmeisters von 1978 und 1986 die Nacht um die Ohren und sangen ihre Lieder, als sie versuchten, einen Blick auf Messi und Co zu erhaschen. Der große Schwung an Fans wird erst kommen.

Verschleißerscheinungen

Teamchef Lionel Scaloni musste nach der Ankunft seinen Kader ein weiteres Mal umbauen. Mittelfeldspieler Thiago Almada von Atlanta United aus der Major Soccer League rückte für den verletzten Joaquin Correa von Inter Mailand nach. Bereits davor war mit Giovani Lo Celso ein wichtiger Nebenmann von Messi ausgefallen und Angel Correa von Atlético Madrid für Nicolas Gonzalez von Fiorentina nachgerückt. Die Ausfälle gelten als Zeichen für die hohen Belastungen, denen gerade Spieler der Favoriten vor der WM ausgesetzt waren.

Auch Messi laborierte zuletzt bei Paris Saint-Germain an einer Achillessehnenentzündung. Gleichwohl hat er in dieser Saison erst 19 Pflichtspiele für den französischen Serienmeister in den Beinen. Der 165-fache Teamspieler, der bei 91 Toren für Argentinien hält, sollte also ausreichend frisch sein, um seinen vierten Titel mit einer Landesauswahl zu holen. 2005 war Messi U20-Weltmeister, 2008 Olympiasieger. Und 2021 gelang endlich der Triumph in der Copa America, ausgerechnet in Brasilien und im Finale gegen die Gastgeber. Nicht wenige rechnen am 18. Dezember mit einer Neuauflage dieses Heulers. (sid, red, 19.11.2022)