Infantino im Zentrum der Macht und der Aufmerksamkeit.

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Ist der Ruf erst ruiniert ... Schon, aber es war nicht nur die in einem Vierteljahrhundert als Fußballfunktionär ausgereifte Ungeniertheit, die Giovanni Vincenzo Infantino vor der Eröffnung der Weltmeisterschaft in Katar zu einer wahnwitzig anmutenden Abrechnung mit deren Kritikern ausholen ließ.

Denn Gianni ist kein Infantilo, wie er gerne verunglimpft wird. Der 52-jährige Schweizer aus Brig im Kanton Wallis weiß sehr genau, wem er seine Macht verdankt, als Präsident des Weltverbandes Fifa über den Fußball zu gebieten.

Zwar setzte sich Infantino bei der Wahl des Nachfolgers seines abgehalfterten Landsmannes Sepp Blatter mithilfe vieler Stimmen aus Europa final gegen einen Scheich aus Bahrain durch. Seither gibt sich der mit der Libanesin Leena Al Ashqar verheiratete Vater von vier Töchtern jedoch lieber als Anwalt der Landesverbände, die sich viele Jahre vom europäischen Fußball bevormundet, teilweise auch ausgebeutet fühlten. Ihr Vorteil: die Überzahl in einem prinzipiell demokratisch organisierten Verband, der etwa Dschibuti genau dasselbe Stimmgewicht wie Deutschland einräumt. Und vor allem ebenso viele Millionen Euro aus dem brummenden Geschäft mit der Weltsportart Nummer eins.

Beachtlicher Aufstieg

Dass Infantino ursprünglich im europäischen Verband Uefa Karriere machte, wo er unter dem Franzosen Michel Platini ab Oktober 2009 sechs Jahre als Generalsekretär diente, ist kein Widerspruch. Im Machtzentrum des Fußballs lernte der Jurist, wie Klientelpolitik funktioniert, bis er und nicht wie geplant sein Chef, der mit Blatter im Fifa-Korruptionsskandal unterging, den Fußballthron erklomm. Schon jetzt ist ihm mangels Gegenkandidat die Wiederwahl sicher.

Es war ein beachtlicher Aufstieg vom "Piccolo", wie er daheim als jüngstes von drei Kindern einer italienischen Gastarbeiterfamilie genannt wurde, zum Herrscher über ein Milliardenunternehmen. Früher sei er wegen seiner roten Haare und Sommersprossen gehänselt worden, sagt Infantino. Heute sieht sich der Leider-nicht-Fußballprofi, der sechs Sprachen inklusive Arabisch fließend spricht, wenn nicht als "Heiliger Geist", so doch als Staatsmann in Sachen Fußball. Kein Wunder also, dass Infantino beim G20-Gipfel auf Bali auftauchte, im Batikhemd mit Regierungschefs posierte und quasi einen ballesterischen Frieden während der WM an seinem Zweitwohnsitz Katar forderte. Den kann aber selbst der größte Piccolo aller Zeiten nicht durchsetzen.(Sigi Lützow, 20.11.2022)