Emilia Thelen und Florentina Piffl (re.) wissen genau, wer Dudes sind, und zeigen das ab Samstag in einem Stück des Theaters im Bahnhof in Graz.

Marija Kanizaj

Hier ist die nächste Generation am Wort: "Dudes. Halten endlich die Klappe" im Theater im Bahnhof in Graz.

Johannes Gellner

Regisseurin Sahar Rahimi inszeniert "Dudes".

Andrea Huber

Schauspieler Ed. Hauswirth befragt den Dude in sich.

Carolina Frank

"Alter weißer Mann" ist zu einem Kampfbegriff im Zurückdrängen patriarchaler Strukturen geworden. Viel netter klingt der Begriff "Dude", der spätestens mit der Filmkomödie The Big Lebowski auch ins Deutsche Einzug gefunden hat. Das Grazer Theater im Bahnhof (TiB) schaut sich den in gesellschaftspolitischen Debatten auf dem Prüfstand stehenden "Macker" jetzt genauer an. Wir sprachen mit einigen Beteiligten der Produktion, die am Samstag Uraufführung hat: Regisseurin Sahar Rahimi, TiB-Mitgründer Ed. Hauswirth und der zwölfjährigen Emilia Thelen.

STANDARD: Emilia, was ist aus deiner Sicht ein alter weißer Mann?

Thelen: Also wenn ich zu jemandem "Dude" sage, dann denke ich jedenfalls an Männer, manchmal denke ich auch an alte Männer.

STANDARD: Ab wann ist man alt?

Thelen: Über 50. Aber manchmal denke ich da auch an Jungs. Ich verwende es eigentlich allgemein, es gibt keine Altersgruppe. Es meint nichts speziell Negatives.

Rahimi: Ich würde schon sagen, dass ich den Begriff abwertend benutze. Dudes sind für mich Männer, die sich ihrer Privilegien nicht bewusst sind. Zum Beispiel in der U-Bahn: Sie nehmen sich so viel Raum, dass der Sitznachbar keinen Platz mehr hat. Auch wenn ich ihn anschaue, kapiert er es nicht. Das ist für mich ein Dude.

STANDARD: Was passiert, wenn ein Dude neben einem Dude sitzt?

Hauswirth: Dann ist Dude-Negotiation, eine Form von stummem Dialog. Es gibt eine starke Tradition feministischer Arbeiten im Theater im Bahnhof. Wir fragen uns jetzt, wer sind wir. Seit ich Mitte 50 bin, bin ich sozusagen erkennbar. Ich kommuniziere körperlich etwas anderes als mit 45. Ich merke, dass ich oft entschiedener rüberkomme, als ich es meine. Es geht auch um hegemoniale Strukturen in der Gesellschaft und wie ich als Mann dazu eine Distanz einnehmen kann.

STANDARD: Der Untertitel zu "Dudes" lautet "halten endlich die Klappe". Sie haben also keinen Text? Warum sollten Männer schweigen?

Hauswirth: Kein Text, richtig. Es geht eben ums Raumgeben.

Rahimi: Wichtig ist uns, dass wir für die Machtposition und die männliche Deutungshoheit der bisherigen Menschheitsgeschichte Bewusstsein entwickeln. Dass man sieht, dass der alte weiße Mann seit jeher die Subjektposition innehatte. Wir verschieben die Positionen und platzieren die Dudes als Objekte und stellen ihnen Antipodinnen gegenüber.

STANDARD: Den Spieß einfach umdrehen?

Rahimi: Das wäre zu einfach. Wir haben uns da etwas überlegt, wollen es aber nicht verraten. Der Abend ist auch nicht thesenhaft angelegt, sondern eher als Bestandsaufnahme von Machtverhältnissen. Ich sag mal so: Es gibt Körper, Körper der Macht. Ich komme aus Deutschland, und da haben Helmut Kohl oder Franz Josef Strauß diese Macht verkörpert. Das ist ein tradiertes Bild. Wir gucken uns diese Körper jetzt an.

STANDARD: Es geht um eine performative Abbildung?

Hauswirth: Es geht um Blicke. Wer schaut wie, wer bestimmt wann.

Rahimi: Die performative Anordnung ist immer eine Machtanordnung: Wer steht auf der Bühne und wer spricht. Diese performative Konstellation ist auch eine politische. Mit wem identifiziere ich mich, mit wem habe ich Sympathie, oder muss ich mich nicht entscheiden – das wollen wir offen lassen.

STANDARD: Emilia, ist der alte weiße Mann in deiner Generation ein Thema? Und was empfinden Burschen deines Alters als männlich?

Thelen: Einige Burschen aus meiner Klasse entwickeln schon so ein Denken, wie es alte weiße Männer haben. Aber ich sehe auch ein paar Unterschiede zu früher. Ich glaube, es wird langsam besser.

STANDARD: Welche Anliegen hast du in die Theaterarbeit eingebracht?

Thelen: Florentina und ich haben Sachen vorgeschlagen, die uns wichtig sind. Zum Beispiel, dass Frauen mehr Rechte bekommen, dass sie öfter Chefinnen werden können.

STANDARD: Dudes seien "an allem schuld", steht in der Stückinfo. Geht es auch um die Kränkung?

Hauswirth: Kränkung ist sicher ein Aspekt. Nicht alle Lebenspläne im Leben alter weißer Männer sind aufgegangen.

Rahimi: Macht abzugeben ist natürlich ein schmerzhafter Prozess. Und selbst wenn Männer zugeben, dass sich etwas ändern muss, kommen sie in die Zwickmühle. Denn natürlich wollen sie weiter Einfluss haben und haben auch etwas zu sagen.

STANDARD: Plötzlich wird man infrage gestellt. Das wirft auch die Frage auf: Wie verhalte ich mich in dieser Konfrontation?

Hauswirth: Wenn man von sich persönlich Abstand nimmt, würde man sagen, es ist gerecht, dass sich das Ganze dreht. Eigentlich hat man ja in seiner progressiven Haltung immer für Gleichberechtigung gekämpft, für Equal Pay usw. Aber es gibt blinde Flecken.

Rahimi: Die wichtige Frage ist, welche Rolemodels gibt es da eigentlich ...

STANDARD: ... auch für die junge Generation. Wie würdest du, Emilia, die Buben in deiner Schulklasse beschreiben?

Thelen: Alle sind eigentlich sehr ähnlich, also das typische Jungsklischee: Fußball, Raufereien. Sie sind immer ein bisschen aggressiv. Macht ist für sie wichtig, also dass ihre Stärke wahrgenommen wird.

STANDARD: Frau Rahimi, Sie wurden im Iran geboren, wo derzeit eine wichtige Revolution im Gang ist. Welche Brücke gibt es da zu uns?

Rahimi: Frauen sind in dieser Revolution die treibende Kraft, sie bekommen es in diesem Regime auch am härtesten ab. Aber: Männer stellen sich hinter die Frauen. Da hat eine Gesellschaft begriffen, dass Frauenrechte nicht sekludierte Rechte einer Minderheit sind. Das finde ich beeindruckend. Die vorhin besprochene Kränkung des Mannes wird da weggedrängt. Gestern bekam ich ein Video, auf dem eine Frau ihr Kopftuch abnimmt und mit dem Fahrrad fährt, was für Frauen im Iran verboten ist. Ein Mann filmt sie und ruft: "Ich feiere dich – Frauen, Leben, Freiheit!" Da müssen wir hin. Das hat sehr viel mit uns zu tun und damit, ob wir bereit sind, uns zu überwinden. (Margarete Affenzeller, 24.11.2022)