Kommt mit ins Land der Krisenmanager und Sexismussager: In "Gondelgeschichten" werden verbürgte Aussagen von Tiroler Entscheidungsträgern zu einem Potpourri zusammengeführt.

Birgit Gufler

Wenn die Realität der Satire zeigt, wo in Tirol der Hammer hängt, dann klingt das in etwa so: "Das, was der Gletscher aufgrund von der anscheinenden Erwärmung speziell im Sommer verliert, geben wir dem Gletscher in Form von Schnee ja dann wieder zurück. Und Schnee, sag ich immer, isch das Sonnencreme für das Gletschereis." Oder so: "Die Natur darf in unserem Business überhaupt keine Rolle spielen." Manchmal aber auch so: "Sexismus entsteht beim Empfänger."

Wären diese Aussagen über die segensreiche Wirkung von Schneekanonen, Tourismus und Sexismus erfunden, man wäre geneigt, ihnen einen übertriebenen Hang zum Absurden zu attestieren. Erfinden musste das Institut für Medien, Politik und Theater (gegründet von Regisseur Felix Hafner, Dramaturgin Emily Richards und STANDARD-Redakteurin Anna Wielander) für seine im K2 des Tiroler Landestheaters uraufgeführten Gondelgeschichten aber kaum etwas. Obige Zitate, in hochkomischen Lip-Synch-Szenen vorgetragen, stammen durchwegs von Vertretern aus der Tiroler Polit- und Tourismusszene. Mit von der Partie: der Auftritt des ehemaligen VP-Landesrates Bernhard Tilg in der ZiB 2 zum Krisenmanagement in Ischgl. Alles! Richtig! Gemacht!

Adlerlogo

Die Gondelgeschichten begnügen sich aber nicht mit einer kabarettistischen Lesung aus kruden Tiroler Selbst- und Welterklärungsmodellen. Reale und zum Teil auch aus der Piefke-Saga entlehnte Zitate werden geschickt in den folgenden Plot montiert: Das Land Tirol hat einen aus 50 Bürgerinnen und Bürgern bestehenden "Tourismusrat" ins Leben gerufen, der Zukunftsstrategien erarbeitet. Klingt verdächtig nach real existierenden Strategiepapieren zum "neuen Tiroler Weg", der doch nur auf ausgetretene Pfade führt.

Vier Personen aus besagtem Rat berichten umrahmt von Adlerlogos (Ausstattung: Julia Neuhold) von ihrer Arbeit und repräsentieren dabei unterschiedliche Typen: den Speichellecker der Tourismusindustrie (Florian Granzner), den opportunistischen Bürokraten (Kristoffer Nowak), die zum Zynismus neigende Pragmatikerin (Antje Weiser), den erregten Naturschützer (Jan-Hinnerk Arnke). Wenig überraschend ist man sich untereinander nicht ganz grün, schon gar nicht in Greenwashing-Fragen. Gespickt sind die coram publico geführten Diskussionen über eingekaufte Klimaneutralitätssiegel (Ischgl) oder die Tiroler "Dreifaltigkeit" aus Bürgermeistern, Seilbahnern und Tourismusmanagern mit akribisch recherchierten Fakten.

Unbehelligter Sexismus

Die systemischen Verstrickungen führen geradewegs zu den patriarchalen Selbsterhaltungsstrukturen im politischen Tagesgeschäft: Dort führen weder Sexismussager noch misogyne Beschimpfungen ("widerwärtiges Luder") zu Rücktritten, sondern ins Landeshauptmannstellvertreter-Amt.

Derweil lenkt Lois Hechenblaikner, der sich als Fotokünstler seit Jahren mit den Auswüchsen der Tourismusindustrie beschäftigt, den Blick auf ihre Hinterbühnen: Seine aus hunderten Ski-Bruchstücken gemachte Installation Après Ski könnte den Weg zur Katharsis markieren, aber das vierköpfige Ensemble verfehlt ihn grandios und mit sichtlichem Spaß an der Sache. Für die Persiflage auf den Corona-Song Tirol haltet zsamm gibt es zu Recht Zwischenapplaus. Man möchte dieser Produktion aber nicht nur deshalb volle Vorstellungen wünschen. (Ivona Jelcic, 30.11.2022)