Wien – Der Marienfeiertag verliert heuer für den Handel deutlich an Glanz. Im zwölften Jahrhundert in England eingeführt, dient der 8. Dezember seit 1647 auch den Österreichern als katholischer Feiertag. Seit 1995 darf an diesem Tag quer durchs Land eingekauft werden, sofern er auf einen Werktag fällt. Zu viele Konsumenten hatten ihn davor dazu genutzt, um im umliegenden Ausland zu shoppen. Dieses Jahr freilich wird er für viele Geschäfte zur finanziellen Gratwanderung. Zu schwach ist die Konsumbereitschaft, zu hoch sind die Kosten.

Teure Energie, hohe Personalkosten, schwacher Konsum: Die Entscheidung darüber, am Marienfeiertag offen zu halten, ist für den Handel heuer eine finanzielle Gratwanderung.
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Rund 41 Prozent der Einzelhändler haben sich heuer dazu entschlossen, an Maria Empfängnis nicht aufzusperren, erhob der Handelsverband in einer aktuellen Umfrage. Das sind erheblich mehr als in den Jahren zuvor. Alle ihre Filialen öffnen wollen nur etwa 35 Prozent. Der Rest sind reine Onlinehändler oder ist durch Betriebspflichten in Einkaufszentren oder an Bahnhöfen dazu gezwungen, einzelne Standorte offenzuhalten.

Die Allianz für den freien Sonntag begrüßt die geschäftliche Zurückhaltung und hofft, dass diese Kultur im Sinne der inneren Einkehr und familiären Gemeinschaft Schule macht. Handelsverbandschef Rainer Will nennt die hohe Zahl an geschlossenen Shops besorgniserregend und eine Kapitulation.

Mitten im Weihnachtsgeschäft

Denn obwohl seine Branche mitten im Weihnachtsgeschäft stehe und um jeden Euro kämpfe, zahle sich der Feiertag für viele Betriebe heuer nicht aus, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. Die Umsätze seien durchwachsen, die Energiekosten hoch, und der Faktor Arbeit sei teuer. 73 Prozent der Händler etwa hätten derzeit keinen Anspruch auf den Energiekostenzuschuss.

Unternehmer müssen ihre Beschäftigten einen Monat im Voraus über Dienste am 8. Dezember informieren. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben das Recht, diese ohne Angabe von Gründen abzulehnen, was ihnen nicht zum Nachteil gereicht werden darf. Wer bereit ist, am Feiertag zu arbeiten, verdient das Doppelte und erhält zusätzlich Zeitausgleich.

Vielen personalintensiven Lebensmittelhändlern war dies bereits in der Vergangenheit zu teuer. Rewe etwa hält Billa, Billa Plus und den Diskonter Penny am 8. Dezember seit Jahren geschlossen – und behält heuer erstmals auch die Vertriebslinie Bipa zu.

Hofer, Lidl sowie die Drogeriekette DM sperren dieses Jahr ebenso wenig auf, was die Gewerkschaft GPA mit Wohlwollen quittiert. Ausgenommen sind Filialen in Einkaufscentern, an Bahnhöfen und Flughäfen. Allein Interspar ruft seine Belegschaft in sämtlichen Märkten zur Arbeit.

Freizeit als Imagepflege

Argumentiert wird die Absage großer Handelskonzerne an den Einkaufsfeiertag weniger mit hohen Kosten als mit dem Wohl ihrer Arbeitnehmer, die sich Freizeit in der stressigen Adventzeit verdient hätten. Angesichts der massiven Personalnot braucht der Handel mehr Imagepflege denn je.

Große Lust am Einkaufen signalisieren freilich auch Konsumenten nicht. 74 Prozent der Österreicher hielten es für eine gute Idee, den Handel am Marienfeiertag in Zeiten der Energiekrise zur Gänze geschlossen zu halten, erhob die Kepler-Universität Linz in einer Umfrage. 14 Prozent könnten sich an diesem Tag auch mit kürzeren Öffnungszeiten anfreunden.

Einkaufen gehen wollen am 8. Dezember lediglich 15 Prozent der Befragten, unter ihnen vor allem jüngere Wiener und Wienerinnen. Mehr als die Hälfte betrachtet Maria Empfängnis als Familientag, knapp die Hälfte will diesen für andere Freizeitbeschäftigungen als Shopping nutzen.

Fazit der Handelsforscher: Betriebe müssen heuer genau abwägen, ob das Aufsperren sich für sie angesichts der gestiegenen Kosten betriebswirtschaftlich lohnt. Wobei dies freilich auch eine Frage der Umsätze sei, die Unternehmer in der für sie wichtigsten Zeit des Jahres zu riskieren bereit seien. Der Onlinehandel schlafe naturgemäß nie.

Keine Wahlfreiheit

Keine Freiheit der Wahl haben Händler in Einkaufszentren. Offenhaltepflichten definieren Kernarbeitszeiten. Mieter und Pächter, die dagegen verstoßen, werden im besten Falle verwarnt. In der Regel drohen Pönalen von täglich Mehreren tausend Euro. Ins Treffen führen Vermieter Kollateralschäden durch Lücken im Sortiment.

Doch viele Krankenstände zerren am Nervenkostüm kleiner und mittelständischer Betriebe. Handelsverbandschef Will appelliert an Shoppingcenter-Betreiber daher, Milde walten zu lassen, sollte es temporär zu Ausfällen kommen.

Hoffen auf Adventwochenende

Weitaus mehr Geschäft, nämlich rund 300 Millionen Euro, verspricht sich der Handel vom dritten Adventwochenende. Die ersten beiden Einkaufssamstage inklusive der Black-Friday-Woche ließen trotz hoher Kundenfrequenz viel Luft nach oben. Mittlerweile haben viele Österreicher doppelte Gehälter auf dem Konto. Geschäftstreibende hoffen, dass ein guter Teil davon in ihre Kassen fließt.

Der Anteil der Ausgaben für Geschenke, der ihnen zugutekommt, nimmt jedoch von Jahr zu Jahr ab. Statt in rein materielle Gaben stecken die Österreicher ihr Geld zusehends lieber in Urlaube, Kultur- und Freizeitangebote. (Verena Kainrath, 7.12.2022)