Beim Googeln des Lokals muss man ganz genau sein. Sonst landet man auf abwegigen Seiten im Netz. Das COP Austria ist es schon mal nicht, dort verkauft Christian Hermann aus Bayern nämlich Polizeibedarf. Das macht er gemeinsam mit seiner Frau Ulrike schon seit 1990. Immerhin eine Google-Bewertung von 4,7 besitzt der Cop-Shop, bei 191 abgegebenen Rezensionen. Das andere COP, das man online findet, ist die UN-Klimakonferenz.

Zumindest vom Namen her nicht der idealste Start für das neue Lokal der Molchos. Und auch bei der Eröffnung hatten die Nenis kein Glück. Eigentlich wollte man vor Corona aufsperren. Dann kam eben diese Pandemie in die Quere. Das für Sommer 2022 angepeilte Opening verschob sich wegen zahlreicher Krisen weiter nach hinten. Nun hat es aber endlich offen, in der Biberstraße 8 im ersten Bezirk, in der Straße beim Café Prückel rein, ein Gebiet, das irgendwie ein blinder Fleck in der Wiener Innenstadt ist.

Die Köpfe hinter C.O.P.: Nuriel Molcho, Haya Molcho und Elihay Berliner.
Foto: Regine Hendrich

Was soll C.O.P. überhaupt sein?

C.O.P. steht für Collection of Produce, grob übersetzt heißt das Sammlung von Erzeugnissen. Gemeint sind Lebensmittel, die kuratiert, also sorgfältig ausgewählt werden, sagen die C.O.P.-Köpfe. Vom Acker auf den Tisch, wenn man so will. Noch immer nicht ganz verstanden? Pathetisch poetisch versucht Chefkoch Elihay Berliner zu erklären, dass man die Lebensmittel selbst in den Mittelpunkt stellt: "In der Gastronomie geht es immer ums Kochen. Aber wir lieben es, sorgfältig hergestellte Produkte ganz simpel zu bearbeiten. Und über diese Produkte haben wir die Geschichte und Menschen dahinter zusammengetragen." Dieser Gedanke zeigt sich auf der Speisekarte, die auf der Rückseite die Lieferanten transparent auflistet. Viele davon werden dem generischen Lokalbesucher wohl wenig sagen, vermittelt aber ein Gefühl von: Ohne eure Zutaten wäre unser Essen nichts.

Anlocken möchte man "Menschen mit einer Vorliebe für Essen und eine bestimmte Ästhetik", wie Nuriel Molcho, der das Lokal gemeinsam mit seiner Mutter Haya führt, sagt. Er will auf Mundpropaganda setzen und das C.O.P. als Geheimtipp etablieren. Schwierig, mit dem Unternehmen Neni und einer berühmten Gastronomiefamilie im Nacken. Und was Menschen mit der genannten Vorliebe ausmacht? Damit meint er Foodies, ein Unwort. Gar nicht als Restaurant, sondern gleich als Galerie soll man das neue Lokal sehen, sagt Chefkoch Elihay Berliner verklärt. Weil man so viele Produzenten und deren Erzeugnisse zusammenträgt, sei es viel mehr "eine Ausstellung". Okay.

Nichts für Menschen, die vorab die Speisekarte checken

Im Gegensatz zur ausschweifenden und viel zu komplizierten Erklärung, was das Lokal überhaupt sein soll, ist die Küche dagegen minimalistisch gehalten: ohne viel Chichi, mit Hauptaugenmerk auf das Ausgangsprodukt. Mediterranes steht auf dem Menü des C.O.P., täglich gibt es neue Gerichte. Fünf Minuten bevor die ersten Gäste eintrudeln, werden die Speisekarten erst gedruckt, erzählt Berliner. Deswegen findet man auch keine Speisekarte online. Er und sein Team wollen flexibel bleiben. Wenn Berliner zum Beispiel eine Lieferung kräftig schmeckender Orangen aus Sizilien geliefert bekommt, dann will er sie auch auf die Karte setzen. Diese Freiheit ist aber auch eine Herausforderung an die Gäste. Als jemand, der vorab wissen will, was es zu essen gibt, klingt das Konzept nach einem absoluten Horror.

Ein paar Fixpunkte bleiben aber bestehen, versichert Haya Molcho, und grätscht da ein wenig in Berliners Vision. Gewisse gutgehende Gerichte will man beibehalten, sagt sie. Vor allem, wenn sie sich herumsprechen. Zwar stehen Sohn Nuriel und Berliner als Geschäftsführer und Küchenchef dem neuen Lokal vor, die Unternehmerin hält dennoch die Zügel in der Hand. Ganz loslassen kann sie nicht. Mit Ratschlägen will sie Berliner immerzu beistehen, ihr Neni-Team hat auch geholfen, das neue Team einzuschulen. Und Nuriel? "Er ist sehr, sehr wichtig", sagt die Mama. Er kümmere sich um die "Außenwelt", wie Berliner und Molcho seinen Aufgabenbereich beschreiben. Er kenne viele und – wichtig! – die besten Leute. Und er wisse, wie man "Ideen" am besten nach außen kommuniziert. Als Influencer und Hutmacher hat er da das gewisse Know-how.

Das letzte Neni?

Die Speisen sind gemäß der israelischen Tradition zum Teilen gedacht. Viele unterschiedliche Gerichte soll man bestellen und sich durchprobieren. Da finden sich Austern und anatolischer Käse als Vorspeisen, unter den Hauptgerichten Markknochen, gegrillter Brokkoli und ein Raviolo mit Eidotter gefüllt, ebenso ein ganzer Wolfsbarsch. Der Preis für Hauptgerichte liegt zwischen zwölf und 18 Euro, Steak und Fisch gibt es ab 29 Euro aufwärts. Neni-Klassiker, wie den berühmten Hummus, sucht man dagegen vergeblich. Das passt auch zum Konzept des Lokals, das die berühmte Familie und ihren Firmennamen zumindest vordergründig ganz weglässt.

Anatolischer Käse mit ein bisschen Grün.
Foto: Regine Hendrich

Das ist gar nicht mal so blöd. Die Molchos mit der alles überstrahlenden Mutter Haya und deren Familienunternehmen Neni werden gerne kritisiert. Gerade die Matriarchin Haya sei zu umtriebig, die Hauptstadt gesättigt von ihren Lokalen, unkt man. Würde ein Mann an ihrer Stelle stehen, wäre die Kritik wohl eine andere, oder man würde ihn als geschäftigen Tausendsassa loben.

Es soll, laut ihren Aussagen, aber eh das letzte Neni-Lokal Wiens bleiben. Im Sommer eröffnete man erst den umgebauten Tel Aviv Beach als Neni am Wasser am Donaukanal.

Ein neuer Molcho

Dass man einen Nicht-Molcho ins Rampenlicht stellt und diesen auch finanziert – ungewöhnlich. Auch für Haya Molcho: "Es ist etwas Neues. Aber wir müssen uns auch verändern." Elihay Berliner wurde von Molcho in Paris entdeckt. Er arbeitete in Israel und Paris, unter anderem im Restaurant Le Châteaubriand. Molcho war gerade auf der Suche nach einem Koch für ihr Franchise, als sie in einem Restaurant nach dem Koch fragte und so Berliner kennenlernte. Mit 21 kam er dann nach Wien, begann bei Neni zu arbeiten und lebte im ersten Jahr sogar bei den Molchos zu Hause. Nicht von ungefähr wird Berliner als fünfter Molcho-Sohn bezeichnet.

Berliner türmt die braune Butter auf. Im Lokal werden auf dem Tresen die Zutaten des Abends präsentiert – und teilweise auch angerichtet.

Dabei hat er mehr von seiner Adoptivmutter/Geschäftspartnerin vererbt bekommen als die anderen: charismatisch und offenherzig, gesprächig und ernst zugleich. Wenn er hinter dem Tresen steht und die geschlagene braune Butter auftürmt, sich hin und wieder die ins Gesicht fallenden dunklen Locken aus dem Gesicht wischt und lacht, wenn er nach konzentriertem Anrichten der Speisen zufrieden lächelt, kommt man nicht umhin, ihn als neuen Posterboy im Neniversum zu sehen.

Das reicht doch

Das C.O.P. tut den Nenis ganz gut. Ein neues sympathisches Gesicht und Speisen, die spannend klingen und nicht dem erwartbaren Neni-Konzept entsprechen. Nur das Überkandidelte muss man weglassen. Gutes Essen funktioniert auch ohne Influencer-Buzzwords und die gewollte Inszenierung von "Wir sind anders, wir sind etwas Besonderes, weil uns ist Essen ganz, ganz wichtig". Das reicht doch. (rec, 13.12.2022)