Die 70er-Jahre-Bühne von Aurel Lenfert lässt optisch nichts zu wünschen übrig: "Pension Schöller".

Herwig Prammer

Ein Theaterstück, in dem sich Durchschnittsmenschen eines Hotels wie Irrenhausbewohner ausnehmen: Pension Schöller von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs unterhält Theater-, Film- und Fernsehpublikum seit über einhundert Jahren – die Uraufführung fand 1890 in Berlin statt. Doch ganz so einfach ist dieser Bühnenkracher gar nicht zu realisieren, das haben Vorgängerarbeiten wie 2016 am Burgtheater gezeigt. Die ausgetretenen Witzpfade muss man erst einmal zur Wirkung bringen, und das gelingt der Neuinszenierung am Landestheater Linz nur bedingt.

Pension Schöller führt den Menschen in seiner jeweiligen Begrenztheit vor und schlägt dabei auch aus himmelschreienden Sprachfehlern Tribut. Ein aufs Deklamieren versessener Möchtegernschauspieler (Markus Ransmayr) beispielsweise bekommt den Buchstaben L nicht über die Lippen und kompensiert ihn stets mit N. Das hat ein "Nied von der Gnocke" zur Folge – wohlgemerkt von Friedrich Schinner!

Fast wie Elvis: Turniertänzer Leopold Schöller (Klaus Müller-Beck) in seiner gleichnamigen Pension.
Foto: Herwig Prammer

In Susanne Lietzows eigener, in den 1970er-Jahren angesiedelte Fassung – sie trägt den Untertitel Der bunte Abend –, wird sich dieser spielwütige, aber allseits abgekanzelte Mime heutigen Protestformen entsprechend einmal an der Rampe festkleben. Mit einer X-Large-Klebstofftube in Händen droht er: "Ich knebe mich fest!"

In der Großstadt zu Besuch

Die Komödie bleibt sonst ganz den Siebzigern verhaftet, und Regisseurin Lietzow flutet die Bühne (Aurel Lenfert) mit Trouvaillen aus der Stil-Schatztruhe: von hautengen Glitzeroveralls und toupierten Frisuren (Kostüme: Jasna Bosnjak) über farbenprächtige Tapeten und Kugelsessel hin zum Mettigel, einem Buffetklassiker dieses knallbunten Jahrzehnts. Diese Pension Schöller bietet jede Menge Nostalgiestoff.

Es beginnt in einer Berliner Schmuddelkneipe, wo die Wirtin Hilde (Horst Heiss) verlorenen Seelen eine Heimstatt bietet: dem traumatisierten Kriegsveteranen Gröber (Helmuth Häusler) genauso wie der Familie Klapproth, die in der Großstadt zu Besuch weilt und in biederen Klamotten das provinzielle Biedermeier markiert. Herr Klapproth (Christian Taubenheim) äußert den Wunsch, eine psychiatrische Einrichtung zu besuchen, zwecks Recherche für die eigene Institutsgründung auf dem Land. Mangels Möglichkeiten lotst ihn sein Neffe Alfred (Daniel Klausner) stattdessen in die Pension Schöller, wo ein bunter Abend ansteht.

Auf die Lenden fixiert

Treppauf und -ab machen hier vorzügliche Outrage-Nummern das Kraut fett, wiewohl das hochdosierte Lachgebaren auf der Bühne die komische Wirkung auch ausbremst. Das Turniertänzerehepaar Schöller (Klaus Müller-Beck, Katharina Hofmann), die dümmliche Schriftstellerin Josephine Zillertal (Theresa Palfi) oder der ganz auf seine Lenden fixierte Weltenbummler Professor Bernhardy (sic!) des Alexander Julian Meile sind Hingucker. Die Geschichte im Ganzen hängt aber – vor allem im dritten Akt – durch. (Margarete Affenzeller, 13.12.2022)