In Bregenz brauche es Know-how, Mut, Innovationskraft und "tiefe Liebe zur Oper": All dies bescheinigt man Lilli Paasikivi.

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Bregenz – Angekündigt war die Entscheidung für das erste Quartal des nächsten Jahres – nun ist die Nachfolgerin von Intendantin Elisabeth Sobotka jedoch bereits gefunden worden: Ab 2025 wird Lilli Paasikivi künstlerische Leiterin der Bregenzer Festspiele, während Sobotka an die Berliner Staatsoper Unter den Linden wechselt.

Die Finnin Paasikivi ist zweifellos eine überraschende Wahl, gleichzeitig aber sicher ein erfahrener Profi im Bereich des Musiktheaters. Als Mezzosopranistin war sie lange Ensemblemitglied der Finnischen Nationaloper, deren künstlerische Leiterin sie dann 2013 wurde. Dies wären insgesamt 28 Jahre gewesen, erzählt Paasikivi, und das finnische Traditionshaus sei zweifellos ihre "Familie". Aber "es wurde Zeit für etwas Neues", so die Finnin, die – nach Worten des Festspielpräsidenten Hans-Peter Metzler – bei den Hearings alle und sehr schnell überzeugt habe.

Ruhiges Weihnachten

Es brauche für den Job "Know-how, Zuneigung zur und tiefe Kenntnis der Oper, außerdem Mut und Führungsstärke", meinte Metzler bei der Präsentation. All dies bringe Lilli Paasikivi mit. Nachdem nun die Nachfolge entschieden sei, können, so der Präsident humorig, "alle beruhigt in die Weihnachtsferien gehen". Eine winzige Ruhepause kann es geben – zweifellos auch für die neue Intendantin.

Allerdings sind die Planungszeiträume im Opernbereich durchaus lang. Insofern dränge die Zeit und möchte Paasikivi im Frühjahr des kommenden Jahres Konkretes über ihre erste Seebühnenproduktion 2026 bekanntgeben. Die Bregenzer Freiluftoper sei das Zentralgestirn der Festspiele, um das alle anderen Projekte kreisen würden. Man möchte hinzufügen: Außerdem ist die Seebühne ein wesentlicher ökonomischer Faktor, weshalb die Wahl des jeweiligen Werkes eine besonders heikle ist. Experimente mit Werken, die nicht zum Kreis der Blockbuster zählen, erwiesen sich in der Vergangenheit mitunter trotz hoher Qualität als unerwartet bescheidene "Kassenschlager".

Lilli Paasikivi wird das alles wissen, auch wenn sie bei ihrer Präsentation bekundete, sich erst gründlich einarbeiten zu müssen, bevor sie ihre programmatisch konkreten Ideen vorstellt – zu "den vielen Möglichkeiten, die es hier in Bregenz gibt", wie sie meinte.

Auch mit Wagner zu hören

Bei ihrer Tätigkeit in Finnland startete die 57-Jährige u. a. auch das Projekt Opera Beyond, um Oper und Ballett im Sinne neuer technischer Möglichkeiten zu verbinden. Als Sängerin war sie Fricka in Wagners Ring des Nibelungen ebenso wie Bizets Carmen oder die Amneris in Verdis Aida. Zweifellos war ihre Karriere auch eine internationale. So arbeitete sie mit bekannten Dirigenten wie Paavo Järvi, Sir Simon Rattle und ihrem Landsmann Esa-Pekka Salonen.

Zugleich engagierte sich Paasikivi im Bereich der Organisation. So gründete die am 22. Juli 1965 im direkt an der russischen Grenze gelegenen Imatra geborene Künstlerin 2016 das Festival Sydänkesän säveliä und war von 2010 bis 2015 künstlerische Leiterin der Pyhäniemen-Kartano-Konzertreihe.

Seit der Gründung der Bregenzer Festspiele 1946 haben erst vier Personen das Festival geleitet. Nach den zwei männlichen Langzeitintendanten Ernst Bär (fast 30 Jahre) und Alfred Wopmann (rund 20 Jahre) folgten für jeweils etwa zehn Jahre der Regie führende David Pountney und dann Elisabeth Sobotka.

Zunächst war es vor allem Wopmann, der das Festival mit seiner "Bregenzer Dramaturgie" prägte: mit einem Mix aus publikumswirksamen Opern auf der Seebühne, Raritäten im Haus und der Reihe Kunst aus der Zeit.

Liebt die Moderne

Sobotka, die von der Grazer Oper kam, führte die Tradition weiter, neue Akzente setzte sie mit der Gründung des Opernstudios, das jungen Sängerinnen und Sänger die Möglichkeit bot, eine Oper zu erarbeiten. Insofern übernimmt Lilli Paasikivi ein Festival der Vielfalt, das internationale Reputation genießt und über ein besonderes Flair verfügt. Paasikivi, die versprach, ihr Deutsch zu perfektionieren, meinte, es habe das erste Betreten der Seebühne bei ihr gewissermaßen einen Ideenwirbel ausgelöst.

Als ihr die Frage nach ihrer Lieblingsoper gestellt wurde, meinte sie: Als Sängerin würde sie sagen, dass sie das 20. Jahrhundert schätze und dabei Werke von Richard Strauss und Erich Wolfgang Korngold. Als Operndirektorin "kann man das natürlich nicht sagen", da ginge es nicht um die eigenen Vorlieben und in Bregenz ja auch um das doch breite Publikum.

Selbiges wird kommenden Sommer die Wiederaufnahme von Puccinis Madama Butterfly erleben – wohl in Anwesenheit der kommenden Intendantin Lilli Paasikivi. (Ljubiša Tošic, 14.12.2022)