An der Wiener Wirtschaftsuniversität gibt es Unstimmigkeiten nach der Wahl des neuen Rektors.

Foto: Heribert Corn

Der Senat der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien ist aufgebracht. Und zwar über die Wahl des neuen Rektors. Am Montag bestimmte der Universitätsrat der Hochschule nämlich Rupert Sausgruber zum Nachfolger von Edeltraud Hanappi-Egger. Er soll sein Amt im nächsten Oktober antreten. Die aktuelle Rektorin und erste Frau an der Spitze der Universität hatte angekündigt, ab dem nächsten Wintersemester nicht mehr als Chefin der Hochschule zur Verfügung zu stehen.

Die Wahl des Rektors einer Universität ist ein relativ langwieriger Prozess und bezieht die höchsten Gremien der Hochschule ein. Im Schnelldurchlauf: Am Anfang steht die sogenannte Findungskommission, diese wird von Senat und Universitätsrat beschickt und wählt nicht nur die Bewerbungen für den Job, sondern daraus auch die besten Kandidatinnen und Kandidaten aus. Dann tritt der Senat, in dem Professorenschaft, Mittelbau, Studierende und allgemeines Personal vertreten sind, zusammen, dieser erstellt ausgehend von der Liste der Findungskommission einen Dreiervorschlag. Aus diesem Vorschlag wiederum wählt der Universitätsrat eine neue Rektorin oder im Fall der Wirtschaftsuni: den neuen Rektor.

Von Platz zwei ins Rektorat

Und diese letzte Station sorgt eben nun für Aufregung. Denn der Universitätsrat hat zwar aus der Liste des Senats gewählt, aber nicht in dessen Interesse: Nicht der Favorit wurde zum Rektor ab nächstem Wintersemester bestimmt, sondern mit Sausgruber der Zweitplatzierte auf der gereihten Senatsliste. Der Senat hätte lieber Michael Meyer, Leiter des Instituts für Nonprofit-Management und ehemaliger Vizerektor der Wirtschaftsuni, als Nächsten an der Spitze der WU gesehen.

In einem internen Schreiben des Senats, das unter anderem von den Vorsitzenden und der lokalen Hochschülerschaft unterzeichnet wurde, hieß es am Dienstag: Die "einstimmige Empfehlung des Senats bezüglich der auszuwählenden Person" sei kommentarlos übergangen worden. Der Senat als demokratisch gewähltes Organ der Wirtschaftsuni, das alle Forschenden, Lehrenden und Studierenden vertritt, habe "seine Meinungsbildung unter breiter Einbindung von Expertinnen und Experten des Hauses gestaltet".

Zwar obliege die Auswahl aus dem Vorschlag "letztlich dem Universitätsrat". Dass die Wahl jedoch "ohne ersichtliche Auseinandersetzung mit den Argumenten des Senats erfolgt ist", stelle einen "beispiellosen Bruch mit der bislang gelebten WU-Kultur dar", heißt es in dem Senatsbrief. Diese Vorgangsweise schade der Universität sowie dem gewählten Kandidaten, der "mit etwas belastet wird, wofür er nichts kann".

Rumoren nicht überraschend

Für Menschen mit unipolitischer Expertise und Inneneinsichten über derartige Wahlvorgänge ist das Rumoren in Teilen der Wirtschaftsuniversität nicht überraschend, sondern gehört quasi zur Wahlfolklore, die sich nachgerade naturgemäß daraus ergibt, dass, wenn sich drei Personen Hoffnung auf einen Führungsjob machen, am Ende eben nur eine oder einer ihn bekommen kann.

Klar ist, und das ist im Universitätsgesetz eindeutig festgelegt, dass der Unirat komplett frei ist in seiner Wahl – auf Basis des Vorschlags, den der Senat übermitteln muss. Begründen muss das das "begleitende und vorausschauende Aufsichtsorgan", so nennt das Unigesetz den Unirat, seine Entscheidung nicht. Die Rektorswahl hat überdies "geheim und durch persönliche Stimmabgabe zu erfolgen".

Würde sich der Senat wirklich ausdrücklich und unbedingt auf eine Kandidatin oder einen Kandidaten kaprizieren, dann könnte er sogar einen Einervorschlag an den Unirat übermitteln, der allerdings begründet werden müsste. Der Unirat könnte ihn akzeptieren oder zurückweisen, aber möglich wäre das. Und es gab auch schon Rektoren, die auf Basis eines Einervorschlags gewählt wurden – der amtierende Wissenschaftsminister etwa. Martin Polaschek wurde 2019 an der Uni Graz als einziger Kandidat des Senats an den Unirat übermittelt und von diesem dann auch zum neuen Rektor gewählt. Hätte der Unirat den Vorschlag zurückgewiesen, wäre also keine Wahl zustande gekommen, hätte unverzüglich neu ausgeschrieben werden müssen. Aber möglich ist das.

Der Verweis auf die Reihung des Dreiervorschlags an der WU wird von Fachleuten aus dem Unibereich überhaupt als "Mysterium" beschrieben. Das Gesetz sieht nämlich keine Reihung vor, auch bei der Bestellung von Professorinnen und Professoren komme sie immer wieder vor, sei quasi "Tradition", aber rechtlich bindend sind derartige Reihungen nicht.

Kontrolle für Formelles

Eine offizielle Beschwerde über das Vorgehen des Universitätsrates durch den Senat ist übrigens nicht eingelangt, heißt es aus dem Bildungsministerium von Martin Polaschek. Dort erklärt man auf STANDARD-Anfrage zwar, die Wahl der neuen Unileitung falle in die Autonomie der Hochschulen. Sollte es jedoch zu formellen Fehlern gekommen sein, würde das Ministerium als Prüfbehörde aktiv und den Prozess begutachten. (Oona Kroisleitner, Lisa Nimmervoll, 14.12.2022)