In Wien sei die Baubranche zuletzt schon wieder "gesprächsbereit" gewesen, heißt es beim Gemeinnützigen-Verband.

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Der Bauboom der vergangenen fünf bis zehn Jahre ist zu Ende – aber wo wird sich die Zahl der Fertigstellungen künftig einpendeln? Diese Frage ist völlig offen und hängt primär von der Entwicklung der Baukosten ab.

Exorbitanter Preisauftrieb

Beim Baukostenindex der Statistik Austria ging es in den vergangenen beiden Jahren steil bergauf, nachdem es seit 2000 eine relativ konstante gleichlaufende Entwicklung mit dem Verbraucherpreisindex gegeben hatte. Etwa ab Jänner 2021 schnellten aber plötzlich die Materialkosten steil nach oben, um rund 40 Prozentpunkte; zu einem signifikanten Rückgang kam es bisher noch nicht.

Andreas Pfeiler, Geschäftsführer des Fachverbandes der Stein- und keramischen Industrie in der Wirtschaftskammer, erwartet für das kommende Jahr aber zumindest eine Stabilisierung – und zwar ab dem zweiten Quartal. Die starken Ausschläge beim Gaspreis – derzeit liegt er bei rund 140 Euro pro Megawattstunde, Mitte 2021 war er noch bei 25 Euro – sollten bald der Vergangenheit angehören, ist sich Pfeiler sicher. Dann werde auch für die Unternehmen seiner energieintensiven Branche wieder eine bessere Planbarkeit der Kosten eintreten, und damit in weiterer Folge auch für Bauträger. "Unsere Unternehmen kaufen üblicherweise Energie in Form von Futures ein, dadurch kam die Energiepreisdiskussion bei uns etwas verspätet an" – und das habe in so einigen Bereichen zu starken Preissteigerungen geführt.

Gemeinnützige hoffen auf Normalisierung

Die Hoffnung, dass sich das wieder normalisiert, ist insbesondere bei den gemeinnützigen Bauträgern stark vorhanden. Sie haben 2021 bundesweit rund 16.500 Wohneinheiten fertiggestellt, heuer werden es voraussichtlich auch noch etwas mehr als 16.000 werden, sagt Klaus Baringer, Obmann des Gemeinnützigen-Verbands und Vorstand des gemeinnützigen Wiener Bauträgers Gesiba. Doch 2023 dürfte es dann steil bergab gehen – denn mit Auftragsvergaben taten sich die Gemeinnützigen aufgrund der Kostensituation heuer besonders schwer.

Insgesamt – sowohl gefördert als auch freifinanziert – dürften heuer in ganz Österreich voraussichtlich noch 62.000 Wohneinheiten baubewilligt werden, nach 73.000 in 2021 und 78.000 in 2020. In den Jahren 2017 und 2019 gab es sogar absolute Rekordzahlen mit jeweils jeweils 85.000.

Wie weit es im kommenden Jahr nach unten gehen wird, lässt sich noch nicht sagen. Jedenfalls dürften so einige Projekte bereits verschoben worden sein; wie berichtet, hat beispielsweise die Buwog jene drei Projekte, die sie 2023 zu bauen beginnen wollte, um ein Jahr aufgeschoben.

Beim Maklerhaus EHL erwartet man schon für 2023 in Wien einen starken Rückgang des Angebots. Rund 18.000 Wohneinheiten dürften heuer fertig werden, 2023 und 2024 wird sich das "deutlich ändern", heißt es in einer Marktanalyse vom Oktober. Erst bei einer "Trendwende auf der Kostenseite" würden diese Projekte weiterverfolgt werden, sagt EHL-Wohnungsmarktexpertin Karina Schunker. Auch Umplanungen bei der Energieversorgung würden Zeit erfordern "und führen dementsprechend zu späteren Fertigstellungsterminen".

"Baukosten werden weiter steigen"

Doch kann eine Trendwende bei den Baukosten wirklich kommen? Herwig Pernsteiner, Chef der gemeinnützigen ISG mit Sitz in Ried/Innkreis und Mitglied des Bundesvorstands des Gemeinnützigen-Verbands, glaubt das nicht. Er verweist auf weiterhin hohe Materialpreise. Ein Ziegelhersteller habe ihn soeben über Preissteigerungen im zweistelligen Prozentbereich im kommenden Jahr informiert, erzählt Pernsteiner dem STANDARD.

Dazu würden die Lohnkostensteigerungen kommen. Die Baubranche hat einen zweijährigen Zyklus bei den Kollektivvertragsverhandlungen, die nächsten Gespräche sind erst wieder für November 2023 vorgesehen. 2021 hat man für 2023 aber eine Lohnsteigerung von 7,4 Prozent ausverhandelt, berichtet Pfeiler.

Zusammen mit 1,5-prozentigen Vorrückungen werde das eine Erhöhung des Lohnkostenanteils in den Baukosten von rund neun Prozent ausmachen, rechnet Pernsteiner vor. Beim Material rechnet er mit Aufschlägen von vergleichsweise moderaten drei Prozent. Doch für ihn ist klar: Die Baukosten werden weiter stärker ansteigen.

Bundesländer ergriffen bereits Maßnahmen

Wegen der Kostensteigerungen am Bau hat die oberösterreichische Landesregierung heuer bereits ein Sonderbudget von 30 Millionen Euro beschlossen, damit der Bau von 1.500 geförderten Wohneinheiten nicht gestoppt werden muss. Ein weiteres Sonderbauprogramm werde es vorerst aber nicht geben, das kündigte der oberösterreichische Wohnbaulandesrat Manfred Haimbuchner (FPÖ) bereits an. Auch die Baukostenobergrenze, die im Frühjahr von 1.500 auf 1.800 Euro pro Quadratmeter angehoben wurde, wird vorerst auf diesem Niveau bleiben.

Pernsteiner hatte auf der Verbands-Pressekonferenz im April davor gewarnt, dass die Gemeinnützigen ohne Maßnahmen wie diese – es gab sie in fast allen Bundesländern – heuer keine Aufträge vergeben werden können. Das ist zwar nicht ganz eingetreten, im ersten und zweiten Halbjahr habe man Aufträge vergeben, doch man habe Projekte zum Teil nun auch ohne Wohnbauförderung umgesetzt oder einstweilen verschieben müssen.

"Baubranche ist durchaus gesprächsbereit"

Immerhin habe es bei den Großhandelspreisen im Oktober einen "leichten Dämpfer" gegeben, sagt Pernsteiner. Und zumindest in Wien sind die Angebotspreise der Baufirmen zuletzt auch wieder nach unten gegangen. "Die Preisniveaus haben unterschiedlich nachgegeben", sagt GBV-Obmann Baringer. "In Wien waren wir in der Lage, Aufträge zu vergeben", die Baubranche sei durchaus gesprächsbereit gewesen. Und angesichts leerer werdender Auftragsbücher ab der Jahresmitte werde die Baubranche – "vor allem in Wien" – die Ausschreibungen der Gemeinnützigen wohl auch künftig gut brauchen können.

Was die Gemeinnützigen aber jedenfalls fordern, insbesondere in den nun startenden Verhandlungen zum Finanzausgleich: mehr Geld für die Wohnbauförderung. Denn derzeit stehe bei der Finanzierung eines Wohnprojekts per Fixzinskredit "ein Dreier vorne", demnächst möglicherweise sogar "ein Fünfer" – da seien günstige Darlehen das Um und Auf für leistbaren Wohnraum. Doch die Wohnbauförderung wird seit Jahrzehnten ausgedünnt, darauf weist unter anderem auch Pfeiler seit Jahren hin.

Ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sollte die Wohnbauförderung ausmachen, das fordern Baringer und der Geschäftsführer der gemeinnützigen WBV-GPA, Michael Gehbauer. Derzeit würden die Wohnbaufördermittel nur 0,4 Prozent des BIP betragen, Tendenz sinkend; 2021 unterschritten sie die Zwei-Milliarden-Euro-Marke. In Spitzenzeiten in den 1990er-Jahren sei man bei 1,3 Prozent gelegen. (Martin Putschögl, 20.12.2022)