"Bones and Wire – Die Seele der Dinge" ist so etwas wie das Sequel zu Simon Mayers Stück "Oh Magic". Im Umgang mit Technik regrediert der Mensch zum Kind.

Foto: Lukas Beck

Das anschwellende Klimadesaster ist zwei Revolutionen zu verdanken: der industriellen und der digitalen. Klar, die Technik allein ist nicht dafür verantwortlich. Wohl aber die fehlende "Wokeness" gegenüber unseren natürlichen Lebensräumen. Wie kommt es zu diesem Defizit? Eine Ahnung davon vermittelt jetzt das neue Stück Bones and Wires – Die Seele der Dinge des österreichischen Choreografen Simon Mayer im Brut-Theater.

Mit diesem gewitzten Tanz-Performance-Solo skizziert der gebürtige Oberösterreicher ein pointiertes Mikro-Psychogramm des Homo technicus. Bereits das Vorspiel im Foyer kündigt an, was sich dann in der Black Box entfaltet: Die Art, wie Technik hier dargestellt wird, triggert so etwas wie Rührung. Mayer schickt einen ferngesteuerten Roboter in Gestalt eines Beistelltischerls mit Rädern und Lautsprecher-Augen unters Scheinwerferlicht und lässt ihn eine Begrüßung plappern.

Musik fabrizierende Automaten

Ein kleines Möbel, das sich uns wie ein sprechendes Tierchen zuwendet! Herzig. Drinnen auf der Bühne herrscht dagegen geheimnisvolles Dunkel mit ein bisschen Theaternebel. Über einige Objekte ist ein großes Tuch gebreitet. Die Erwartung steigt. Ein Licht bewegt sich unter dem Tuch, eine Enthüllung wird inszeniert.

Diese bleibt nicht ganz friktionsfrei, präsentiert ein Spiel mit dem Gespenstischen und offenbart, dass Bones and Wires so etwas wie ein Sequel von Mayers Stück Oh Magic ist, das 2017 beim Steirischen Herbst Premiere hatte. Noch einmal ein Zauber mit dem unheimlichen Charme von Musik fabrizierenden Automaten, die lebendig wirken. Damals stellte der Choreograf eine kleine Band auf die Bühne, jetzt operiert er mit seinen Werkeln.

Wie ein Kinderstück

Der Tänzer-Performer agiert, sobald er sich und die Dinge vom Tuch befreit und dieses in einen Himmel verwandelt hat, als schnaufender Nerd mit Brille, ein hektisch erregter Zerrissener und immer wieder in Rage geratender Chaot. Während Oh Magic wie die Karikatur einer Popgruppe wirkte, führt sich Bones and Wires eher als Kinderstück auf. Da kommt die berühmte Naivität des Technikfreaks ans Licht, und wie immer, wenn es um das sprichwörtliche "Kind im Manne" geht, wird eine Regression samt frühseniler Außenwirkung spürbar.

Simon Mayer bezieht sich bei diesem Tänzchen mit seinen elektrischen Schäfchen, wie sie einst der Science-Fiction-Autor Philip K. Dick in Do Androids Dream of Electric Sheep? beschworen hat, auf Charlie Chaplins Modern Times. Doch weil Mayer in seinen Bewegungen nicht im Geringsten so witzig ist wie der legendäre Komiker, sticht die tragische Note seiner Bühnenfigur noch deutlicher hervor.

Berührend wirkt die Einsamkeit des regredierten Nerds, eher schockierend der eigene Blick auf diese technische Taschenspielerei. Denn die animierten Dinge bei Mayer erinnern an das Kindchenschema, das die Industrie beim Design von Robotern nutzt. Tragischerweise unterdrückt die Spekulation mit der Regressionslust allerdings erfolgreich unsere Wachheit gegenüber dem Technikkommerz. (Helmut Ploebst, 16.12.2022)