"Die Leute wollen tanzen, trinken, loslassen"

Milena Košir Rantaša Geschäftsführerin des Rhiz.
Foto: Daniel Hill

Wir verstehen unseren Club als Safe Space, deshalb finde ich es wichtig, dass wir am Weihnachtsabend offen haben. Wir sperren auf, egal, ob zehn oder 20 Gäste kommen, für den Umsatz machen wir das nicht. Das Rhiz gibt es seit fast 25 Jahren – und so lange halten wir das schon so. Mit Angies DJ-Abend "F.U.T." findet heuer wieder eine Veranstaltung statt, die in den letzten Jahren zur Tradition geworden ist. Mir ist es wichtig, für alle da zu sein, aber besonders für jene, die an diesen Tagen traurig sind oder niemanden haben. Ich habe das Gefühl, davon gibt es einige. Ich erlebe, dass viele Menschen in toxischen Beziehungsgefügen oder Familien leben.

Sie stehen am 24. Dezember unter besonderem Druck, den Weihnachtsabend möglichst harmonisch über die Bühne zu bringen. Die Leute brauchen ein Ventil, sie wollen tanzen, trinken, loslassen. Wir sorgen für gute Stimmung, Lichterketten, Getränke. Ich selbst liebe Weihnachten, aber diesen Zwang, mit der Familie zusammen zu sein und ein großes Menü aufzufahren, mag ich gar nicht. Ich habe auch kaum ein Weihnachten erlebt, an dem nicht gestritten wurde. Wir feiern zwar zu Hause mit unseren drei Kindern, später aber bin ich dann als Chefin natürlich auch im Rhiz vor Ort. Ich erinnere mich gern zurück an unsere letzte Feier, an schöne Musik und alte Songs wie Persian Love. Den habe ich mir heuer übrigens wieder gewünscht.

Aufgezeichnet von Anne Feldkamp


"Das Wichtigste sind das Leben und die Gesundheit"

Hans Possler, offizier bei der Berufsfeuerwehr Wien.
Foto: Daniel Hill

Ich freue mich auf den Weihnachtsdienst. Es ist etwas Besonderes, an diesem Tag für die Wiener Bevölkerung Hilfeleistung bieten zu dürfen. Das bedeutet auch, dass man nicht zu Hause bei der Familie ist. Die meisten Eheleute und Kinder haben aber Verständnis. Teil des Berufs sind nun einmal Dienste an Wochenenden und Feiertagen. Dieses Jahr feiere ich mit meiner Frau und meiner Tochter am 23. Dezember Weihnachten. Bei der Erstellung des Dienstplans versuchen wir, auf Kollegen mit Kleinkindern Rücksicht zu nehmen, sodass sie am Heiligen Abend bei ihren Familien sein können.

Wie jeden Tag beginnt auch der Weihnachtsdienst um 6.30 Uhr und dauert 24 Stunden. Am Hof sind etwa 90 Personen im Einsatzdienst. Ich werde als Einsatzdienstleiter im Dienst sein. In dieser Funktion bin ich unter anderem für das geplante Tagesprogramm verantwortlich sowie für die Verteilung von Ressourcen bei Einsätzen. Der Dienst zu Weihnachten ist nicht ruhiger oder stressiger als an anderen Tagen. Ich erinnere mich an meinen ersten Dienst nach der Offiziersausbildung. Das war Weihnachten 2012. Es brannte in einer Wohnung, weil eine angezündete Kerze auf dem Adventkranz vergessen worden war. Wir konnten den Brand schnell löschen, und niemand wurde verletzt. Auch wenn Gegenstände von emotionalem oder materiellem Wert den Flammen zum Opfer fallen, handelt es sich "nur" um Sachschaden. Das Wichtigste sind das Leben und die Gesundheit. Das versuchen wir den Betroffenen zu vermitteln. Sie stehen oft unter Schock und brauchen sensible Betreuung. Am besten verhindert man Brände, indem man Kerzen löscht, sobald man den Raum verlässt, sie auf trockenen Kränzen oder Bäumen gar nicht anzündet und aufpasst, dass sie fern von Vorhängen oder anderem leicht entflammbarem Interieur stehen. Ein Kübel mit Wasser sollte stets parat stehen, und im Ernstfall sollte man sofort die Feuerwehr anrufen.

Während des Dienstes gibt es keine Weihnachtsfeier, aber wir dekorieren die Feuerwache, und es gibt typische Gerichte wie Fisch oder Gans, die – wie jeden Tag – von Kollegen zubereitet werden. Danach singen wir gemeinsam Stille Nacht. Doch man weiß nie, wann der nächste Einsatz kommt. In einem Jahr mussten wir noch während des Liedes ausrücken und einen Brand löschen. Die Nacht war dann doch nicht so still.

Aufgezeichnet von Michael Steingruber


"Die Heldinnen und Helden des Alltags finden zusammen"

Dietlind Resch, Ärztin
Foto: Daniel Hill

"Ich bin Fachärztin für Neurologie am Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital. Wir schnapsen uns untereinander aus, wer an Tagen wie Weihnachten arbeitet. Wenn ich so überlege, absolviere ich heuer meinen 16. oder 17. Dienst am Heiligen Abend. Aus eigenen Stücken. Sollte sich wirklich niemand freiwillig melden, müsste wohl das Los entscheiden. Dass mein Mann und ich keine Kinder haben, gestaltet die Sache einfacher. Wir verschieben Weihnachten einfach um einen Tag, obwohl ich mich als bekennende Katholikin bezeichne und mir Weihnachten und andere Feiertage durchaus einiges bedeuten.

Was die Arbeit an diesem Tag von anderen unterscheidet? Nun, man kann schon sagen, dass sich die Heldinnen und Helden des Alltags zusammenfinden. Wir sind eine Truppe von Leuten, die sich in diesen Stunden wohlig bemitleiden. Ich sage das mit einem Augenzwinkern. Wir bemühen uns, diesen Dienst ein wenig gemütlicher als andere zu gestalten und nach Möglichkeit ein bisschen zusammenzusitzen und etwas zu schnabulieren. Alkohol ist natürlich verboten. Offiziell.

Wir und das Pflegepersonal versuchen, den Aufenthalt für die Menschen zu Weihnachten noch angenehmer zu gestalten. Man nimmt sich mehr Zeit, zum Beispiel bei den Visiten. Es sind schon besondere Stunden. Jüngere Menschen, die halbwegs fit sind, drängen vor Weihnachten eher auf eine Entlassung. Dem versuchen wir natürlich nachzukommen, wenn es ihr Zustand zulässt. Andererseits haben wir auch Patientinnen und Patienten mit kognitiven Einschränkungen, die von Weihnachten nicht so viel mitbekommen. Außerdem beschleicht mich manchmal das Gefühl, dass manche Familien pflegebedürftige Angehörige zu Weihnachten bei uns unterbringen möchten. Insgesamt sind bei uns im Schnitt um die 50 Betten belegt.

Unterm Strich handelt es sich zu Weihnachten um einen Dienst wie jeden anderen. Schlaganfälle gibt es auch am 24. 12. Vielleicht ist der Abend sogar anfälliger dafür. Jedenfalls verändert sich der Rhythmus der Vorfälle. Am Abend, nach der Bescherung, nach dem Essen, wenn die Menschen emotional getriggert sind, kommt es durchaus zu mehreren Zufahrten ins Spital, wie wir das nennen. Besonders arg war der Weihnachtsdienst im Jahr 2015, als der erste Höhepunkt der Grippewelle hereinschwappte. Was das mit Neurologie zu tun hat? Lassen Sie mich mit meinem Ex-Chef antworten, der meinte: "Alles, was komisch ist, ist neurologisch." Auch Grippesymptome können sich unterschiedlich auswirken.

Aufgezeichnet von Michael Hausenblas


"Ich habe das Gefühl, Teil des Weihnachtsfestes unserer Gäste sein zu dürfen"

Fabian Strobl, Rezeptionist Bassena-Hotel Donaustadt
Foto: Daniel Hill

"Seit knapp fünf Monaten stehe ich hinter der Rezeption des Bassena-Hotels Donaustadt. Abgesehen davon, dass ich gerne zum Arbeiten herkomme, verbringe ich teilweise meine Freizeit im Hotel. Gestern war ich zum Beispiel da, obwohl ich gar nicht Dienst hatte. Warum ich das mache? Weil fünf meiner engsten Freunde auch hier tätig sind – einer mit mir an der Rezeption, zwei im Service und zwei in der Küche.

Wir sind Absolventen der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe Sankt Franziskus und waren alle in derselben Klasse. Ich bin jetzt 21 Jahre alt, habe nach der Hotelleriefachschule als Erster hier angefangen und meine Freunde nach und nach davon überzeugt, sich auch in diesem Haus zu bewerben.

Ich arbeite zum ersten Mal am 24. Dezember und freue mich darauf. Meine Schicht dauert von 14.30 bis 23 Uhr. Damit es für uns an der Rezeption festlich und lustig ist, dürfen wir Weihnachtspullis tragen. Ich habe mir das Datum sogar bewusst im Dienstplan ausgesucht, weil ich mir das aufregend vorstelle. Ich bin ja nicht alleine hier, sondern verbringe die Zeit mit Freunden – auch wenn die ebenfalls arbeiten müssen. Danach werden wir alle gemeinsam ausgehen. Wohin, werden wir spontan entscheiden. Unsere Weihnachtsfeier im Betrieb hatten wir bereits am 17. Dezember. Die gesamte Belegschaft hat Engerl-Bengerl gespielt, es gab also auch kleine Geschenke.

Was mich an der Arbeit zu Weihnachten interessiert? Die Geschichten unserer Gäste. Ich versuche mir vorzustellen, was ihre Motive sind, diesen Tag bei uns zu feiern und warum sie sich gerade diesen Ort ausgesucht haben. Ich habe das Gefühl, Teil ihres Weihnachtsfestes sein zu dürfen. Sie nehmen hier ihr Festmahl ein und verbringen auch viel Zeit mit uns.

Ich denke, dass die meisten unserer Gäste zu Weihnachten diesen Standort bewusst gewählt haben, weil Christkindlmärkte in der Nähe sind. Es kann natürlich auch sein, dass Menschen kommen, die in einem Hotel feiern, weil sie leider niemanden anderen haben. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir auch ihnen ein schönes Weihnachtsfest bieten können.

Meine Eltern waren anfangs vielleicht ein wenig traurig, dass ich am 24. arbeiten will. Aber ich habe noch zwei jüngere Geschwister und wohne gleich nebenan. Außerdem bin ich mit Vorschlägen gekommen, wie wir uns trotzdem an diesem Tag sehen können. Ich werde am Vormittag, also noch vor meinem Dienst, zu ihnen rüberschauen. Das eigentliche Fest holen wir am 26. Dezember nach. Dann wird mich meine Familie auch hier im Hotel besuchen und zum Essen bleiben.

Aufgezeichnet von Sascha Aumüller


"Ich werde mich komplett überraschen lassen"

Matthias Balmetzhofer, Redakteur Standard-Newsteam
Foto: Daniel Hill

Seit bald zwei Jahren mache ich jetzt diesen Job. Gemeinsam mit 14 anderen bin ich Teil des Newsteams. Unsere Arbeit könnte man so beschreiben: Wir fangen ab, was gerade aktuell in der Welt passiert. Wir sind das schnelle Ressort, immer hart am Nachrichtenstrom. Wir liegen auf der Lauer und kümmern uns um die Breaking News. Wir arbeiten in Schichten, an Werktagen, Wochenenden und Feiertagen. Die Feiertagsdienste teilen wir uns kollegial im Team auf. Letztes Jahr habe ich am Neujahrstag gearbeitet. Das war aber halb so wild: Ich hatte Spätdienst und musste erst um 16 Uhr loslegen. Was sich auch mit einer längeren Silvesternacht gut vertragen hat. Ich habe mir deswegen also keine frühe Bettruhe verordnet.

Ich bin nicht gläubig. Weihnachten ist für mich in erster Linie ein Fest der Familie. Eine Zeit, in der man zusammenkommt, sich selbst auch ein bisschen runterfährt und sich Dingen annimmt, für die im Alltag sonst wenig Zeit bleibt. Normalerweise ist es so, dass wir am Vormittag im engeren Kreis mit meiner Familie feiern. Das haben wir schon immer so gemacht, auch in meiner Kindheit, weil wir am Nachmittag zu Verwandten gefahren sind. Mittlerweile teilen meine Freundin und ich uns das so ein, dass wir am Vormittag bei meiner und am Nachmittag bei ihrer Familie sind. So haben wir das in den letzten Jahren gehandhabt.

Heuer ist mein erster Weihnachtsdienst, der fällt obendrein auf ein Wochenende. Aber das ist nicht weiter schlimm. Ich habe es mir auch deswegen so eingeteilt, weil mein Bruder zu Weihnachten ebenfalls arbeiten muss. Deshalb ist das für mich kein allzu großes Drama. Weil wenn einer sowieso schon verhindert ist, dann macht es nicht so viel aus, wenn ein anderer auch nicht kann. Ich werde mich komplett überraschen lassen, was zu Weihnachten passiert. Eigentlich birgt jeder Dienst Überraschungen: ein kontroverser Tweet von Trump, ein Rücktritt, ein Skandal, eine Umweltkatastrophe – das weiß man vorher nie. Das drastischste Beispiel, das mir einfällt, war der Tsunami zu Weihnachten 2004. Das war weit vor meiner Zeit hier, aber so etwas kann immer passieren. Zu berichten gibt es immer irgendwas. Wobei ich die Hoffnung habe, dass die Welt in den Weihnachtsfeiertagen ein bisschen ruhiger ist und sich die Besinnlichkeit auch in der Nachrichtenlage widerspiegeln wird.

Aufgezeichnet von Markus Böhm

(Rondo, 24.12.2022)